ANTIOXIDANZIEN:
KATERSTIMMUNG
Bereits zweimal widmete der
E.U.L.E.N-Spiegel den antioxidativen Vitaminen einen Schwerpunkt (vgl.
E.U.L.E.N-Spiegel 1995/H. 2 und 1999/H. 9). Schon 1995 erachteten wir eine Extrazufuhr
in Form von Supplementen allenfalls als wirkungslos, warnten aber gleichzeitig
vor der lebensverkürzenden Wirkung von beta-Carotin-Präparaten bei Rauchern.
Heute, fast 10 Jahre nach den ersten Befunden, setzt sich diese Auffassung auch
in der aktuellen Fachpresse durch. Bis die Botschaft aber bei den Patienten
ankommt, wird wohl nochmals ein Jahrzehnt vergehen. Den aktuellen Stand der
Diskussion fasst Brigitte Neumann zusammen.
Ein neuer
Paradigmenwechsel erschüttert die Welt der Ernährungspäpste: Vom „Ende der
Supplementierung mit antioxidativen Vitaminen“ ist in der DGE-Info 9/2003 zu
lesen. In dem fünfseitigen Beitrag wird das „Versagen der antioxidativen
Vitamine bei der Verhütung der Karzinogenese und der Atherogenese“ beklagt. Der
Autor oder die Autoren zogen es jedoch vor, anonym zu bleiben. Immerhin ist die
Redaktion bereit, auf Nachfrage ihre Quellen herauszurücken. Das ist jedoch gar
nicht nötig, denn die zugrunde liegende Originalarbeit ist bereits unter dem selben Titel in der Aktuellen
Ernährungsmedizin erschienen.
In dem Artikel
kommt Siegfried Heyden zu dem Schluss, dass eine Supplementierung mit
antioxidativen Vitaminen zwar nicht vor koronarer Herzkrankheit oder Krebs
schützt, wohl aber zu gefährlichen Komplikationen für Zellen und Gefäße führen
kann. Diese Einschätzung beruht auf einer Analyse der bisher publizierten neun
randomisierten und placebokontrollierten Interventionsstudien zum Einsatz von
antioxidativen Vitaminen in der Primär- und Sekundärprävention (siehe Tabelle 1
und 2 auf Seite 25 und 26). Keine dieser Studien konnte bei der Gabe von
antioxidativen Vitaminen einen positiven Einfluss auf die Gesundheit
feststellen. Deshalb fordert Heyden: „Vom Gebrauch von Supplementen sollte in
Zukunft abgeraten werden, da bereits erste Resultate mit hohen Dosen von
Vitaminen auf gefährliche Komplikationen hinweise.“
Krebs &
Herzerkrankungen
Entsprechend lautet
das Fazit einer Metaanalyse im Lancet:
Differenziert nach Studien mit Vitamin E und beta-Carotin bzw. Vitamin A kam
die Arbeitsgruppe um Marc Penn von der Cleveland University zu dem Ergebnis,
dass Vitamin E weder die Gesamtmortilität noch das Risiko für Herz- oder
Hirninfarkte senkt – unabhängig davon, ob die Vitamine primärpräventiv oder zur
Sekundärprävention bei bereits bestehenden Krankheiten wie einer Verengung der
Herzkranzgefäße eingesetzt wurden. Die Autoren folgern für Vitamin E: „Ein
gesundheitsfördernder Effekt konnte bei keiner Dosierung und in keiner
Population nachgewiesen werden.“ Von einer routinemäßigen Zufuhr raten sie ab.
Beta-Carotin führte sogar zu einem leicht signifikanten Anstieg der
Gesamtmortilität und erhöhte darüber hinaus auch das Risiko, an
kardiovaskulären Krankheiten zu sterben. Deshalb empfehlen die Experten
„weitere klinische Studien mit beta-Carotin aufgrund der vorhandenen Risiken zu
stoppen“.
Auch das arznei-telegramm hat die vorliegenden
Studien zum Thema Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs ausführlich bewertet.
Für die Autoren ist die Datenlage eindeutig: „In allen randomisierten Studien
mit klinischen Endpunkten bleibt ein klarer Nutzen der Einnahme der Vitamine A,
C oder E sowie Betakarotin hinsichtlich der Behandlung oder Vorbeugung von
Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs aus.“ Und weiter: „Zuviel Betakarotin
kann der Gesundheit schaden: In zwei großen Untersuchungen und nach einer
aktuellen Metaanalyse erhöht es die Lungenkrebsrate und die Gesamtsterblichkeit
deutlich.“
Damit sind viele
ambitionierte Erwartungen gescheitert, dem Milliardenmarkt der Vitamine ein
wissenschaftliches Mäntelchen zur Verkaufsförderung umzuhängen. Denn
doppelblinde, placebokontrollierte Interventionsstudien mit klinischen
Endpunkten gelten als Goldstandard bei der Beurteilung von
Arzneimittelwirkungen. Als Medikamente hätten antioxidative Vitamine bei solchen
Resultaten nicht den Hauch einer Chance auf Zulassung. (….Es folgen 10 Seiten,s.d..)
Quelle: E.U.L.E.N-Spiegel
9. Jahrgang - Nr. 5-6 – 10.12.2003