AIDS 25 Jahre Todesspur des Virus
Als
kalifornische Ärzte im Juni 1981 die ersten Aids-Fälle meldeten, wussten sie
noch nicht, woran ihre jungen homosexuellen Patienten starben. Forscher suchten nach dem Erreger der mysteriösen Seuche - während
die Krankheit um die Welt zog, und mit ihr die Angst.
Zwischen 1967 und 1979 war das Medikament Pentamidin
ganze zwei Mal bestellt worden - in den gesamten USA. Doch 1981 benötigten es
gleich fünf Patienten auf einmal - alle in Krankenhäusern der
Westküstenmetropole Los Angeles. Alle Patienten waren an einer exotischen
Lungenentzündung erkrankt, ausgelöst von Pneumocystis
carinii. Der Einzeller befällt nur Patienten, deren
Immunsystem lahmgelegt ist.
Auch andernorts
wurde plötzlich Pentamidin nachgefragt. Bei homosexuellen
Männern in den US-Bundesstaaten New York und Kalifornien traten derweil extrem
seltene Krebsformen auf.
Am 5. Juni 1981
erschien ein zweiseitiger Artikel in der Fachzeitschrift "Morbidity and Mortality
Report" der US-Gesundheitsbehörde Centers for Disease Control (CDC) - der erste
wissenschaftliche Aufsatz über die neue Krankheit. Die Ärzte Michael Gottlieb
und Wayne Sandera schilderten darin die Fälle der
fünf Schwulen aus L.A. - da war einer der Patienten bereits gestorben.
Auch den Anderen konnte
Pentamidin nicht helfen. Die Anzeichen mehrten sich:
Eine neue, mysteriöse Krankheit ging um. Die CDC setzte eine
Untersuchungsgruppe ein. Es ging um Risikofaktoren und ein nationales
Überwachungsprogramm.
Unerklärliche
Attacken infektiöser Nutznießer
Anderthalb Jahre
lang sammelten die Mediziner Hinweise, die ins Muster der unerklärlichen
Immunschwächen zu passen schienen: Ende 1982 umfasste die CDC-Liste 593 Fälle,
über ein Drittel dieser Patienten war zu diesem Zeitpunkt bereits
gestorben.
Auch außerhalb
der USA tauchten die ersten Berichte auf - drei Viertel der Betroffenen waren
homosexuelle Männer. Doch auch bei Blutern tauchten 1982 erstmals Symptome auf,
die in das diffuse Bild passen, auch in Deutschland. Drei Schwule und ein
Bluter aus den Städten Frankfurt, München und Berlin listete die Statistik des
Robert-Koch-Instituts (RKI) auf. Bereits 1986 war auch der letzte von
ihnen tot.
Zunächst war der
Name der Krankheit - "Acquired Immunodeficiency Syndrome" (AIDS), zu
Deutsch: erworbenes Immunschwäche-Syndrom - nur eine hilflose Beschreibung der
Symptome. Die Mediziner mussten beobachteten, wie die körpereigenen
Abwehrsysteme vermeintlich gesunder Menschen zerstört wurden. So genannte
opportunistische Infektionen oder Tumoren hatten dann ein leichtes Spiel in den
geschwächten Körpern.
Im März 1983
stellten zwei Forscherteams gleichzeitig - angeführt von dem US-Amerikaner
Robert Gallo und dem Franzosen Luc Montagnier - unabhängig voneinander im Wissenschaftsmagazin
"Science" den Auslöser des Abwehrausfalls vor: ein Virus. HIV,
Humanes Immunschwächevirus, wird der Erreger nach längerem Streit ab 1986
genannt. Es ist ein Retrovirus, das seine DNA in das Erbgut befallener
Körperzellen einfügen kann. Bis heute gibt es kein Medikament dagegen.
Spätere Untersuchungen
sollten zeigen, dass schon vor der Entdeckung der Krankheit Menschen an Aids
gestorben waren. Der erste dokumentierte Fall in Deutschland war 1978
aufgetreten. Allgemein gilt als gesichert, dass der Erreger in Westafrika von
Affen auf den Menschen übergesprungen ist. Erst jüngst konnten Wissenschaftler
das Virus bis zu einer Schimpansengruppe in Kamerun zurückverfolgen.
Schrille
Reaktionen
Die
Rezeptionsgeschichte der Krankheit Aids ist eine nie dagewesene
Kombination aus schriller Hysterie, medialer Aufklärung und ideologischer
Inanspruchnahme der neuen Krankheit. Zunächst von vielen als Schwulen- und
Fixerproblem abgetan, riefen Gesundheitsskandale wie jener im Jahr 1985 um HIV-verseuchte deutsche Blutkonserven auch den scheinbar
Ungefährdeten in Erinnerung: Es gibt keine absolute Sicherheit vor dem Virus.
Spätestens
prominente Opfer wie der Schauspieler Rock Hudson, der im Herbst 1985 starb,
machten Aids auch in der breiten Masse zum Gesprächsthema.
"Aids ist
eine Gesundheitskatastrophe von globalem Ausmaß. Wir stehen nackt einer sehr
gefährlichen Seuche gegenüber, die sich über Länder und Kontinente ausbreitet.
Ich kenne keinen größeren Killer als Aids."WHO-Generalsekretär
Halfdan Mahler, 1986
In den achtziger
Jahren bilden sich in vielen westlichen Ländern Aids-Selbsthilfegruppen und
-initiativen. Die erste deutsche Aids-Hilfe wird schon 1983 in Berlin
gegründet. Die Bewertung der neuen Krankheit ist meist drastisch. "In
einigen Ländern droht der Genozid, die Ausrottung ganzer Nationen", sagte
1987 HIV-Mitentdecker Robert Gallo.
Der damalige Kurienkardinal Joseph Ratzinger, heute Papst Benedikt XVI., sagte:
"Man muss nicht von einer Strafe Gottes sprechen. Es ist die Natur, die
sich wehrt."
In einem
Informationsblatt der damaligen Bundesgesundheitsministerin Rita Süssmuth
(CDU), das 1987 an deutsche Haushalte verteilt wurde, hieß es, nur 5 bis
20 Prozent der HIV-Infizierten bekämen Aids. Später musste die Ministerin das
als Fehler korrigieren. Der umstrittene bayerische Innenminister Peter Gauweiler
(CSU) führte den Zwangs-Aidstest für Beamtenanwärter und Asylbewerber ein - und
versuchte vergeblich, eine allgemeine Testpflicht durchsetzen.
Seuche der
Promis, Seuche des Herrn
Die
"Tagesschau" zeigte Bilder vom Kölner Karneval, bei dem sich Funken-Mariechen
und -Majore nur noch mit OP-Mundschutz küssten.
"Vielleicht
hat uns der Herr diese Seuche gebracht, weil unerlaubter Sex gegen die zehn
Gebote verstößt." US-Präsident Ronald Reagan, 1989
Im Februar 1992
veröffentlichte der italienische Textilhersteller Benetton ein Werbeplakat mit
dem sterbenden Aidskranken David Kirby im Kreis
seiner