Gruppenspezifische Notfalltherapie
20. Radioaktive Stoffe

Wirkcharakter :
Radioaktive Substanzen entfalten ihre Wirkung auf den menschlichen Körper äußerlich durch die Einwirkung ionisierender Strahlen oder innerlich durch Inkorporation. Kommt man äußerlich mit radioaktiven Stoffen in Kontakt, sind die Haut und die sichtbaren Schleimhäute betroffen. Die Strahlenbelastung konzentriert sich auf die kontaminierten Bereiche; die Gefahr einer Inkorporation ist jedoch gegeben, besonders wenn Wunden vorhanden sind. Eine Strahlendosis von  3 bis 4 Gy *  verursacht lokale Hautrötungen. Bei einer inneren Kontamination sind die Schleimhäute der Atemwege und des Magen-Darm-Trakts betroffen. Die Radionuklide werden dabei z. T. schnell resorbiert. Werden die Radionuklide durch Einatmen oder Verschlucken in den Organismus aufgenommen und verteilt, betrifft die Strahlenbelastung den ganzen Körper, wobei einige Organe besonders belastet sein können. Strahlenart, Strahlenenergie, Resorption im Organismus und die effektive Halbwertszeit bestimmen die Radiotoxizität des Nuklids.

Gruppe 20 Schweregrad  /  Toxizität
leicht mittel schwer
Strahlendosis
( Gy )
*
<  0,25 0,25 - 1 1 - 2,5 2,5 - 4,5 4,5 - 6 6 - 10 >  10
Symptome

nach

kurz-
zeitiger

Ganz-
körper-
bestrahlung

Keine
Wirkungen.

Gering-
fügige
Blutbild-
verände-
rungen
Erbrechen,
Übelkeit,
Müdigkeit
bei cirka
10 % der
Exponierten
etwa
1 Tag lang.
Nausea,
Erbrechen,
Lymphozyten
cirka
1500 / mm
vorüber-
gehendes
Absinken
von
Granulozyten
und
Lymphozyten
in der
4.-5. Woche.

Ohne
Behandlung
einzelne
Todesfälle.
Ab 1.Tag
Nausea,
inter-
mittierendes
Erbrechen
2 - 4 Tage
anhaltend ;
Lymphozyten
cirka
500 / mm3.

3. - 5.
Woche :
Neigung zu
Blutungen;
Granulo-
zytenabfall,
Throm-
bopenie;
ca. 50 %.

Todesfälle
innerhalb
2.-6. Woche
Unstillbares
Erbrechen,
Nausea
Innerhalb
4 Stunden
schwere
Durchfälle,
Infektion,
Blutungen,
Erytheme.

Ab 5. Tag
Granulo-
zytopenie,
Thrombo-
penie.

Wenige
Überlebende
Nausea
und
Erbrechen
innerhalb
1–2 Std. ,
Benom-
menheit,
Schock,
Fieber.

Bis zu
100 %
Todesfälle
innerhalb
von
10 Tagen
Rasches
Eintreten
der
vorherigen
Symptome,
Z N S -
Schäden
bis zum
Koma.

Tod
innerhalb
weniger
Tage.
Spätschäden Stochastische Strahlenschäden,  z. B. Leukämie, Krebs, Schäden der Erbsubstanz.
Erst-
maßnahmen
Gefahrenbereich sofort verlassen, Verletzte bergen, ruhige Lagerung,
Schutz vor Überwärmung und Abkühlung, Volumenzufuhr,
ständige Beobachtung mit exakter zeitlicher Erfassung subjektiver und objektiver Befunde.
 Dekontamination
Bei äußerer
Kontamination
Abtupfen, Reinigen mit fließendem, lauwarmen Wasser, milder Seife und weicher Bürste,
Haare entfernen keine Maßnahmen, die die Durchblutung der Haut fördern oder zu
Mikroläsionen der Haut führen können festhaftende Restaktivitäten mit speziellen Mitteln
wie KMnO.-Lösung , Citronensäure 3 % ig , Polyphosphatlösung, Na 2 - EDTA entfernen.
Bei innerer
Kontamination
Atemwege :  Abhusten, ausgiebig spülen mit 3 % iger Citronensäure
Verdauungsorgane :  Mundhöhle & Zähne reinigen prim. & sek. . Giftentfernung je nach Stoff.
Verabreichung absorptionsmindernder Stoffe : 0,5 l  10 % ig BaSO-4-Aufschwemmung trinken ;
bei lod inaktives lod a Kaliumiodid
Wunden :  Venöse Stauung, bluten lassen, ausspülen, ggf. operative Maßnahmen.
Inkorporation Wenn mehr als 50 % des für das jeweilige Radionuldid vorgegebenen Richtwertes für die
max. zulässige Körperbelastung inkorporiert sind, möglichst frühzeitig (vor Organeinlagerung)
und über längere Zeit Antidote zur Resorptionsverminderung oder Förderung der Elimination.
Antidote Sr, Ba, Ra Bariumsulfat (100 g  -  p. o.)  und Natriumsulfat ( bis 30 g  -  p. o.)
Aluminiumphosphat, Calciumgluconat ( 1 Ampulle 10 % ,  i. v.)
Ammoniumchlorid ( bis 9 g / d  -  p. o.)
Cs, Tl Eisen ( III ) – hexacyanoferrat ( II )
3 H Trinkwaser ( bis 12 l / d )
Iod Kalziumiodid ( 0,1 g / d  -  p. o.) , Natriumperchlorat
Lanthanide, Transurane,
Cd, Cr, Mn, Fe, Zn, Pb
DTPA   ( Ditripentat – Heyl )
Fe, Pu Deferoxamin
Cu, Po, Pb, Hg, Au D - Penicillamin
As, Hg, Au, Bi, Sb Chelatbildner wie DMPS ( Dimaval ) , D - Penicillamin
Po DMPS ( Dimaval ) , Tiopronin
Therapie
( symptomatisch )
Schockbehandlung, Infektionsbehandlung und -schutz Thrombozytentransfusion, Knochenmarktransplantation Antiemetika: Dopamin-  und  5 - HAT 3 - Antagonisten
Fürsorge Meldung an atomrechtliche Aufsichtsbehörde nach  § 36  Strahlenschutzverordnung.
Sekrete und Ausscheidungen kontaminierter Personen für Kontrollmessungen sammeln.
Nach Erstversorgung Patienten Spezialklinik zuführen.
* 1 Gy  =  Gray :  Energiedosis, gemessen in Gray ; 1 Gy  entspricht  1 Energieeintrag  von  1 Joule pro kg.