Zensus 2011 – Was kommt auf uns zu?

Am 9. Mai 2011 will es der Staat genau wissen: Durch die erste Volkszählung seit 1987 will der deutsche Staat aktualisierte Informationen zu Einwohnerzahl, Wohnraum, Bildung und Erwerbsleben gewinnen. Was genau es mit dem Zensus auf sich hat, welche Fragen gestellt werden, ob man überhaupt antworten muss und worauf man als Befragungsteilnehmer achten sollte, erfahren Sie in der nachfolgenden Zusammenfassung der anwalt.de-Redaktion.

anwalt.de - Rechtstipp
Ab dem 9.Mai wird Deutschland durchgezählt!

Die Volkszählung im geschichtlichen Wandel

Bereits ca. 3050 v. Chr. befassten sich die alten Ägypter mit der statistischen Ermittlung von Einwohnerzahlen und auch aus dem Römischen Reich sind Volkszählungen im Fünfjahresrhythmus bekannt. Und wer kennt nicht die Volkszählungen aus der Bibel, insbesondere die, die mit der Weihnachtsgeschichte verbunden ist? So zieht sich die Ermittlung von Bevölkerungszahlen seitdem quer durch die Geschichte.

Obwohl in Deutschland ab 1834 fast regelmäßig Volkszählungen stattfanden, liegt die letzte Volkszählung schon lange zurück: Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden zuletzt 1981 in der DDR und 1987 in der Bundesrepublik Volkszählungen durchgeführt. Trotz deutscher Wiedervereinigung, der Vielzahl von Wohnortwechseln aus Ost- nach Westdeutschland und der fortschreitenden europäischen Integration beruht die Ermittlung der aktuellen amtlichen Einwohnerzahl seit damals auf dem System der Bevölkerungsfortschreibung, also auf Schätzungen und Hochrechnungen. Diese werden umso ungenauer, je älter die zugrunde gelegten Daten sind. Korrigiert werden die Schätzungen lediglich durch den jährlichen Mikrozensus, bei dem ca. 1 % der Privathaushalte befragt wird.

„Schnüffelstaat“ und „Gläserner Bürger“: die Volkszählung von 1987

Die letzte Volkszählung, die für April 1983 geplant war, versetzte die Bevölkerung in helle Aufruhr. Wegen der zu ausführlichen Fragen in den Erfassungsbögen befürchtete die Bevölkerung Rückschlüsse auf die Identität der Befragten und sah den dadurch entstehenden „Gläsernen Bürger“ als Grundlage und Beginn des Überwachungsstaates.

Die Klage der Zensusgegner von 1983 vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hatte Erfolg und gilt nicht umsonst als Geburtsstunde des Datenschutzes. Aufgrund des Verstoßes gegen das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, welches sich aus der Menschenwürde aus Artikel 1 Grundgesetz (GG) und dem Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit aus Artikel 2 GG ableiten lässt, wurde die Volkszählung durch das Urteil des BVerfG vom 15. Dezember 1983 (Az.: 1 BvR 209, 269, 362, 420, 440, 484/83) zunächst verhindert. Allerdings nur bis 1987, als ein neues Befragungskonzept und überarbeitete Fragebögen zur Wahrung der Anonymität der Befragten eingesetzt wurden.

Trotzdem sorgte die Volkszählung immer noch für Kritik und Forderungen nach dem „Gläsernen Staat“ - anstelle des „Gläsernen Bürgers“ - und einem Informationsfreiheitsgesetz wurden laut. Zensuskritiker riefen die Bevölkerung zum Boykott auf, was von staatlicher Seite durch Straßensperren, Durchsuchungen von Autos und Wohnungsrazzien erwidert wurde. Etliche Strafverfahren wurden gegen die Volkszählungsgegner eingeleitet, die allerdings 1988 in der Mehrzahl wieder eingestellt wurden.

Zensus 2011 - Was kommt auf uns zu?

Der Zensus 2011 hat längst begonnen. Bereits seit 2008 läuft die Übermittlung und der Abgleich von Daten aus Melderegistern und Grundbuchämtern sowie die Ermittlung der Wohnrauminhaber. Seit Oktober 2010 wurden Fragebögen für eine Vorbefragung zur Gebäude- und Wohnungszählung versendet, wobei allerdings nicht jeder Haus- oder Wohnungseigentümer angeschrieben wurde. Gleichzeitig startete das Statistische Bundesamt eine Anzeigenkampagne und richtete Service-Hotlines ein, um die Bevölkerung umfassend zu informieren und die Beantwortung von Fragen zu ermöglichen.

Ziel und Nutzen

Da die letzte Volkszählung 1981 bzw. 1987 stattfand und die statistischen Daten seitdem auf Schätzungen und Hochrechnungen beruhen, besteht eine dringende Notwendigkeit zur Aktualisierung der Basisdaten.

Im Vordergrund des Zensus 2011 steht die Feststellung der amtlichen Einwohnerzahl Deutschlands. Denn diese ist in vielerlei Hinsicht extrem wichtig. So ist sie Grundlage des Länderfinanzausgleiches, bestimmend für die Einteilung der Wahlkreise zur Bundestagswahl, relevant für die Stimmenverteilung der Bundesländer im Bundesrat und von wesentlicher Bedeutung für die Anzahl der Sitze Deutschlands im Europaparlament. Nicht zuletzt basiert die Berechnung des jährlichen Bruttoinlandsproduktes auf der aktuellen amtlichen Einwohnerzahl.

Weiteres Ziel des Zensus ist es, neue und aktuelle Informationen und Daten bzgl. Wohnraum, Bildung und Erwerbsleben zu erhalten.

Rechtliche Grundlagen des Zensus 2011

Die EU-Verordnung über Volks- und Wohnungszählungen vom 09.07.2008 verpflichtet die Mitgliedstaaten zur Bereitstellung von umfassenden Daten zur Bevölkerung und Wohnungssituation im Abstand von zehn Jahren, beginnend im Jahr 2011. Durch die Erhebung der wichtigsten familiären, sozialen und wirtschaftlichen Merkmale soll die Planung von regionalen, sozialen und umweltpolitischen Maßnahmen erleichtert werden. Außerdem gilt die Schaffung von innerhalb der EU vergleichbaren und umfassenden Bevölkerungs- und Wohnungsstatistiken als weiteres Ziel, weshalb die Volkszählung zur EU-weiten Angelegenheit gemacht wurde.

Nach dem Urteil des BVerfG bedarf die Einschränkung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung - welche der Bevölkerung ja durch die Volkszählung widerfährt - einer verfassungsgemäßen gesetzlichen Grundlage. Gleiches geht auch aus § 5 Abs. 1 Bundesstatistikgesetz (BStatG) hervor.

Diese gesetzliche Grundlage bildet das Zensusgesetz 2011 (ZensG 2011). Das Gesetz beinhaltet Vorschriften zur Erhebung und Zusammenführung der Daten durch z. B. Bundes- und Meldebehörden oder die Bundesagentur für Arbeit. Außerdem enthält das ZensG 2011 Regelungen hinsichtlich der Organisation der Befragung, der Auskunftspflicht, des Datenschutzes und der Qualitätssicherung der Zensusergebnisse.

Das ZensG 2011 wird ergänzt durch die Stichprobenverordnung zum Zensusgesetz 2011 (StichprobenV), die beispielsweise den genauen Umfang der Stichproben, also die Anzahl der zu befragenden Einwohner festlegt.

Wissenswertes zum Zensus 2011

Wann findet der Zensus statt?

Ab dem 9. Mai 2011 geht's los. An diesem Stichtag übermitteln verschiedene Behörden - z. B. Meldebehörden, die Agentur für Arbeit und Grundbuchämter - Auszüge aus ihren Registern an das Statistische Bundesamt. Ab diesem Termin werden auch die ergänzenden Befragungen durchgeführt. Die Fragebögen können zwar in Einzelfällen schon vor dem 9. Mai oder auch etwas später bei den Befragten eintreffen, doch müssen sich die Antworten stets auf den Stichtag beziehen.

Bis alle Befragten die Fragebögen ausgefüllt und zurückgeschickt haben und die Daten vollständig erfasst sind, kann es einige Zeit dauern: Man rechnet mit einer Erhebungsphase von 12 und einer Datenerfassungsphase von 15 Monaten.

Wer wird befragt?

Immobilienbestände sind in Deutschland in keinem Register erfasst. Deshalb werden beim Zensus 2011 im Rahmen der Gebäude- und Wohnungszählung zunächst alle Haus- bzw. Wohnungseigentümer befragt. Diese sogenannte Vollerhebung betrifft ca. 17,5 Mio. Deutsche. Bei Wohnheimen und Gemeinschaftsunterkünften findet ebenfalls eine Vollerhebung statt, bei der alle dort wohnenden Personen befragt werden. Bei sogenannten sensiblen Gemeinschaftseinrichtungen, das sind z. B. Erziehungsheime, Notunterkünfte für Obdachlose oder auch Justizvollzugsanstalten, wird lediglich die jeweilige Einrichtungsleitung befragt.

Bei den übrigen Haushalten findet dagegen keine Vollerhebung, sondern lediglich eine Stichprobenbefragung statt. Gemäß § 3 Abs. 2 StichprobenV werden ca. 9,6 % der Bevölkerung (1.409.196 Haushalte, 7.900.001 Personen) befragt, davon beispielsweise in Bayern 216.204 Haushalte bzw. 1.185.080 Personen.

Zwischen dem 9. Mai und Ende Juli 2011 sind dann auch Interviewer unterwegs, die den für den Zensus ausgewählten Personen beim Ausfüllen des Fragebogens behilflich sind.

Welche Fragen werden gestellt?

Abgefragt werden zunächst demografische und geografische Merkmale der Bevölkerung, also Persönlichkeitsmerkmale, Religionszugehörigkeit, Staatsangehörigkeit, Migrationshintergrund. Außerdem werden Angaben zu Beruf, Erwerbsstatus, Karrierestatus und Bildungsniveau gefordert. Ebenfalls sind Fragen zu Haushaltstypus und Haushaltsgröße zu beantworten. Bei den gebäude- und wohnungsstatistischen Merkmalen geht es hauptsächlich um Art und Größe der Gebäude, Anzahl der Wohnungseinheiten, Bewohnerzahl, Besitzstatus und Ausstattung der Wohnungen oder Gebäude.

Sollten Sie für den Zensus 2011 ausgewählt worden sein, können Sie den Fragebogen auch online ausfüllen bzw. Ihre Angaben online versenden.

Besteht eine Auskunftspflicht?

Ja. Gehört man z. B. zur Gruppe der Wohnungs- bzw. Gebäudeeigentümer oder wurde man für die Stichprobenbefragung ausgewählt, ist man gemäß § 18 ZensG 2011 zur Auskunft verpflichtet. Alle Fragen sind wahrheitsgemäß, vollständig und innerhalb der gesetzten Frist zu beantworten. Eine Ausnahme wird nur bei der Frage nach der Religion, Glaubensrichtung und Weltanschauung gemacht: Hier ist die Beantwortung freiwillig.

Wer für den Zensus 2011 ausgewählt wurde und sich weigert, Angaben zu machen, oder fahrlässigerweise eine unrichtige oder unvollständige Auskunft erteilt, begeht eine Ordnungswidrigkeit. Gleiches gilt für das Versäumen der gesetzten Frist zur Rücksendung der Antworten und für Auskünfte, die auf den Erhebungsvordrucken nicht in der vorgesehenen Form erteilt wurden.

Gemäß § 23 Abs. 3 BStatG kann die Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße von bis zu 5.000 € geahndet werden.

Inwieweit wird der Datenschutz gewährleistet?

Die Rechenzentren der Statistischen Ämter sind durch bauliche, technische und organisatorische Zugangsbeschränkungen gesichert. Außerdem soll bei Nutzung allgemein zugänglicher Netze durch weitere Datenschutzmaßnahmen wie Verschlüsselungsverfahren etc. die Vertraulichkeit der Daten gewährleistet werden.

Andere Behörden dürfen auf die beim Zensus erhobenen Daten nicht zugreifen. Dem Volkszählungsurteil des BVerfG von 1983 wird damit Rechnung getragen, denn hier ist klar vorgeschrieben, dass personenbezogene Daten aus amtlichen Statistiken nicht von Behörden genutzt werden dürfen.

Überwacht wird die Einhaltung dieses Verbotes von den Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder.

Praxis-Tipps: Worauf Sie als Befragter achten sollten

¤ Wurden Sie für den Zensus 2011 ausgewählt oder gehören Sie zu den Gruppen, die an der Vollerhebung teilnehmen, sollten Sie genau wissen, bis zu welchem Termin Sie die ausgefüllten Fragebögen zurücksenden müssen. Am besten, Sie notieren sich die Fristen, denn versäumt man sie, kann man mit einer Geldbuße von bis zu 5.000 € belastet werden.

¤ Beantworten Sie alle Fragen des Erhebungsformulars wahrheitsgemäß und vollständig! Denn tut man dies nicht, kann ebenfalls eine Geldbuße von bis zu 5.000 € fällig werden. Achten Sie auch darauf, dass sich Ihre Angaben auf den Stichtag, den 9. Mai beziehen! Geben Sie also bei der Beantwortung der Fragen immer an, wie die Situation an diesem Stichtag ist oder war.

¤ Wenn Sie Ihre Angaben nicht per Post, sondern lieber direkt online versenden möchten, sollten Sie auf eine sichere bzw. verschlüsselte Übertragung achten! Möchten Sie auf Nummer sicher gehen und den Missbrauch der Daten durch Hacker oder andere Betrüger ausschließen, sollten Sie doch lieber den Postversand wählen.

¤ Ab dem 9. Mai könnte einer der bundesweit 80.000 Erhebungsbeauftragten bei Ihnen klingeln. Obwohl die Interviewer sich vor Beginn ihrer Tätigkeit schriftlich verpflichten müssen, das Statistikgeheimnis zu wahren, und bei einem Verstoß auch mit Geld- oder Freiheitsstrafe belegt werden, befürchtet man, dass Kriminelle oder Rechtsextreme den Zensus für ihre Zwecke nutzen könnten. Denn die Kriterien, nach denen die Erhebungsbeauftragten ausgewählt werden, sind nicht streng genug. Zwar müssen die Bewerber neben Volljährigkeit, gepflegtem Äußeren, guten Deutschkenntnissen auch die Voraussetzungen „Verschwiegenheit“ und „genaue Arbeitsweise“ erfüllen, doch muss beispielsweise kein polizeiliches Führungszeugnis vorgelegt werden. Auch dürfen die Bewerber nicht nach Vorstrafen oder politischer Gesinnung gefragt werden. Die Erhebungsstellen sind also bei der Auswahl ihrer Interviewer auf ihre Menschenkenntnis und auf Eindrücke aus persönlichen Gesprächen angewiesen.

Da die NPD ihre Mitglieder bundesweit dazu aufgerufen hat, sich als Interviewer für den Zensus 2011 zu melden und die Daten und Ergebnisse der Befragungen der NPD zur Verfügung zu stellen, hat das Finanzministerium in Baden-Württemberg bereits die Erhebungsstellen aufgefordert, ihnen bekannte NPD-Mitglieder und -Sympathisanten bei der Auswahl der Erhebungsbeauftragten auszuschließen.

Zudem ist damit zu rechnen, dass nicht nur NPD-Mitglieder, sondern auch Kriminelle - Betrüger, Einbrecher etc. - versuchen werden, die Volkszählung für ihre Zwecke zu missbrauchen.

Um einen Missbrauch durch Betrüger zu verhindern, sollten Sie aufmerksam sein und bestimmte Tipps beherzigen:

¤ Steht ein Interviewer vor Ihrer Haustür, lassen Sie sich zur Sicherheit seinen Zensus-Ausweis sowie den Personalausweis zeigen und kontrollieren Sie diese sorgfältig! Jeder Erhebungsbeauftragte erhält einen speziellen Ausweis, der nicht nur Name, Anschrift und Geburtsdatum, sondern auch das Zensus-Logo, das Wappen des Bundeslandes und die Unterschrift des Erhebungsstellenleiters trägt. Außerdem ist der Ausweis gesiegelt.

¤ Beachten Sie auch, dass sich die Interviewer ca. eine Woche vor ihrem Besuch mit einem Flyer im Briefkasten und einem konkreten Terminvorschlag bei Ihnen ankündigen! Steht der Erhebungsbeauftragte unangekündigt vor der Tür, könnte es sich um einen Betrüger handeln!

¤ Haben Sie Zweifel an der Seriosität des Interviewers, lassen Sie diesen auf keinen Fall in Ihre Wohnung oder Ihr Haus! Sie sind nicht dazu verpflichtet und können die Fragen auch im Hausflur oder vor der Haustür beantworten. Auch sind Sie nicht dazu verpflichtet, überhaupt mit dem Interviewer zu sprechen. Sie können sich den Fragebogen auch aushändigen lassen, ihn allein und in Ruhe ausfüllen und anschließend mit der Post versenden oder das Online-Formular nutzen.

Weitere Informationen rund um den Zensus 2011, noch mehr Fragen und Antworten und auch die Fragebögen zum Download finden Sie unter http://www.zensus2011.de.

 

 

 

 

 

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