Vom
Teufel bezahlt Tabakindustrie und Ärzte
Wie die Tabakindustrie versucht, systematisch
Einfluss auf die Forschung zu nehmen, ist belegt. Mit ethischen Prinzipien ist eine Kooperation
nicht vereinbar. Forschungseinrichtungen und Fachgesellschaften ziehen die Konsequenzen.
Als erste medizinische Fachgesellschaft hat die
Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und
Beatmungsmedizin (DGP) 2006 einen ethischen Kodex verabschiedet, in dem
jede Form der Zusammenarbeit mit der
Tabakindustrie entschieden abgelehnt wird (1). Der Bundesverband der Pneumologen
(BdP) ist mit einem gleichartigen Kodex
gefolgt (2). Die Lungenfachärzte lehnen damit jegliche finanziellen Mittel
der Tabakindustrie für
Forschungsförderung, Gutachterhonorare, Vortragshonorare, Reisekosten, Wissenschafts- und andere Preise ab, und sie
verweigern die Mitwirkung an Veranstaltungen der Tabakindustrie oder Dritter,
die von der Tabakindustrie maßgeblich gesponsert werden. Die Vorstände der DGP
und des BdP haben mit der Verabschiedung ihres Kodex einen entschlossenen Schritt getan: Pneumologen sind seit
Jahrzehnten im Visier der Tabakindustrie, und einige hochrangige Vertreter dieses Fachgebiets haben mit
Zigarettenherstellern eng zusammengearbeitet. Die Lungenfachärzte ziehen damit die Konsequenz aus
Untersuchungen interner Dokumente der Tabakindustrie (3, 4), die auch in der Publikumspresse großes Aufsehen
verursacht haben.
Konzerne mussten interne
Dokumente veröffentlichen
Im Jahre 1998 wurden mehrere transnationale
Tabakkonzerne durch Schadensersatzprozesse in den USA zur Veröffentlichung ihrer internen Dokumente im
Internet gezwungen. Mehr als sechs Millionen teilweise streng geheime Dokumente, wie Sitzungs- und
Forschungsprotokolle, Strategiepapiere oder persönliche Briefe, findet man beispielsweise in den
Internetarchiven der University of California, San Francisco (5). Sie offenbaren Strategien und weltweite
Aktivitäten der Tabakindustrie. Durch die jahrzehntelange Korrespondenz der
Konzerne in den USA mit ihren deutschen Niederlassungen sowie ihrem
deutschen Interessenverband, dem Verband
der Cigarettenindustrie (VdC), gelangten auch für Deutschland relevante
Dokumente ins Internet. So konnte die Einflussnahme der Tabakindustrie in
Deutschland auf die Forschung, die sich
mit Gesundheitsschäden des Rauchens beschäftigte, untersucht werden (3, 4).
Die zunehmenden Beweise für die
gesundheitsschädlichen Folgen des Aktiv- und Passivrauchens veranlasste die Tabakindustrie bereits seit
den 1970er-Jahren, Forschung zum Thema „Rauchen und Gesundheit“ in Auftrag zu geben. Um die Glaubwürdigkeit
der wissenschaftlichen Ergebnisse zu steigern, wurden nicht interne
Forschungseinrichtungen der Zigarettenhersteller, sondern externe Ärzte
und Wissenschaftler von Universitäten
und anderen unabhängigen wissenschaftlichen Institutionen beauftragt. Diese sogenannte white coat strategy machte sich das hohe Ansehen der Beauftragten
zunutze. Vier Ziele dieser Strategie
werden in den internen Dokumenten der Tabakindustrie genannt: 1) Einflussnahme
auf Wissenschaft und Erzeugung von
Forschungsergebnissen zur Verwendung gegen Erkenntnisse über die
Gesundheitsschäden des Aktiv- und Passivrauchens, 2) Steigerung des Ansehens
und der Glaubwürdigkeit der
Tabakindustrie, 3) Gewinnung von renommierten Wissenschaftlern zur
Unterstützung der Interessen der
Tabakindustrie, und in der Folge 4) die Einflussnahme auf die
Öffentlichkeit, politischen Entscheidungsträger und die Gesundheitspolitik. In
Deutschland entstand neben industrieeigenen Forschungsinstituten ein ausgedehntes
Netzwerk aus Wissenschaftlern an
Universitäten und anderen akademischen Einrichtungen (6, 7). Beispielsweise
förderte der VdC 110 Forschungsprojekte
von 1977 bis 1991. Die Dokumente offenbaren die Namen von mehr als 60 beteiligten Wissenschaftlern, darunter
einflussreiche Ärzte, noch heute amtierende Universitätsprofessoren, ehemalige Präsidenten von medizinischen
Fachgesellschaften sowie ein ehemaliger Präsident des Bundesgesundheitsamtes
(6). Ein Dokument beschreibt die Einschränkung akademischer Freiheit: „Der Verband (VdC) hat totale Kontrolle über das
Design der Experimente, das Recht der Forscher zu publizieren oder nicht zu publizieren et cetera. Ebenso
müssen diese Projekte nach außen hin vertraulich gehalten werden.“ (3) Darüber hinaus gründete der VdC
die Forschungsgesellschaft Rauchen und Gesundheit mbH zur Administration der Forschungsgelder. Ein
internes Schreiben erläutert den Zweck: „. . . wenn diese separate Einrichtung die Verwaltung der
Forschungsprojekte vornimmt, kann eine Identifikation dieser Projekte mit dem Verband der
Cigarettenindustrie leichter vermieden werden . . .“ (3).
Die Zusammenarbeit der einzelnen Ärzte und
Wissenschaftler mit der Tabakindustrie war von
unterschiedlicher Dauer und Intensität: Sie reichte von einer einzelnen
kurz dauernden Projektfinanzierung über
das Akzeptieren von Tabakgeldern für jahrzehntelange Forschungsprogramme, die
enge Zusammenarbeit bei der Planung, Durchführung und Präsentation von Studien
bis hin zur Annahme großzügiger
Honorarzahlungen für Gutachtertätigkeiten oder die Vertretung von
Tabakindustrieinteressen im
Bundesgesundheitsministerium (3). Anhand interner Dokumente können fünf
Methoden beschrieben werden, mit denen die Tabakindustrie Einfluss
auf die Forschung nahm, die akademische Freiheit aushöhlte und wissenschaftliche
Erkenntnisse über die Gesundheitsschäden
des Rauchens verfälschte (3).
Unterdrückung:
Zahlreiche Belege existieren dafür, dass die
Tabakindustrie nachteilige Forschungsergebnisse oder Publikationen unterdrückte.
Verdünnung:
Hierunter ist die gezielte Förderung von
Wissenschaftlern oder Forschungsprojekten zu verstehen, bei denen von der Tabakindustrie gewünschte
Ergebnisse sehr wahrscheinlich waren. Durch diese Forschung wurden die
Ergebnisse unabhängiger Studien im Wissenspool gewissermaßen verdünnt und
systematische Fehler eingeschleust.
Ablenkung:
Gemeint ist die selektive Finanzierung von Studien,
die durch Erforschung anderer Faktoren Tabakassoziierter
Erkrankungen vom Rauchen als Ursache ablenken sollten („confounder studies“).
So wurden Untersuchungen zu den
Zusammenhängen von Stress und Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder zwischen Radonexposition, psychischen oder
genetischen Faktoren und dem Lungenkarzinom gefördert.
Verheimlichung:
Für die Tabakindustrie günstige Studienergebnisse
wurden zur Steigerung der Glaubwürdigkeit durch
angesehene Ärzte und Wissenschaftler vorzugsweise unter Verheimlichung
der Tabakindustrieförderung präsentiert
und publiziert.
Manipulation:
Schließlich existieren Hinweise darauf, dass die
Tabakindustrie Veröffentlichungen und Präsentationen einzelner Wissenschaftler beeinflusst und
verändert hat. Beispiele für die fünf Methoden sind an anderer Stelle beschrieben (3).
Verfälschte wissenschaftliche Erkenntnisse und
kooperierende Ärzte dürften das Meinungsbild
unabhängiger Wissenschaftler, politischer Entscheidungsträger und der
Öffentlichkeit nachhaltig beeinflusst
haben. Obwohl detaillierte Informationen seit der erzwungenen Veröffentlichung
der internen Dokumente im Jahre 1998
durch die veränderte Kommunikation der Tabakindustrie weitgehend fehlen,
ist bekannt, dass die Förderung von
hochrangigen deutschen Wissenschaftlern und Ärzten noch immer stattfindet (8, 9). So versucht Philip Morris
zurzeit, eine Fall-Kontroll-Studie über den Zusammenhang zwischen Lungenkrebsrisiko und Teergehalt von
Zigaretten in deutschen pneumologischen Kliniken durchführen zu lassen (10).
International wird über die Ethik der Zusammenarbeit
mit der Tabakindustrie seit mehr als 20 Jahren intensiv diskutiert (11, 12). Bereits 1985 warnte der
Herausgeber des British Medical Journals (BMJ) unter der Überschrift
„Taking money from the devil“
vor jeder Kooperation mit der Tabakindustrie (11).
Bis vor Kurzem wurde eine solche
Diskussion in Deutschland nicht geführt. Daher sollen die Argumente für
und gegen eine Zusammenarbeit mit der
Tabakindustrie auf Basis der Literatur an dieser Stelle zusammengefasst werden.
Fast alle Autoren lehnen eine Kooperation mit der Tabakindustrie
ab, mehrere diskutieren jedoch die
Argumente der Befürworter: Sie führen an, dass auch Industriegeförderte
Forschung wichtige Erkenntnisse über
Krankheiten und deren Heilung produzieren und so einem guten Zweck dienen könne
(12, 13). Insbesondere sei die Erforschung einer „gesünderen“ Zigarette ein
akzeptabler Grund für die Annahme von
Tabakgeldern (14). Zudem würde der rigorose Gutachterprozess der
Fachzeitschriften die Veröffentlichung korrekter wissenschaftlicher Arbeit
garantieren (15, 16) und die Erklärung von Interessenkonflikten ausreichende Transparenz herstellen (15).
Allemal sei diese Art der Verwendung von
Tabakindustriegeldern dem Einsatz zur Förderung des Tabakkonsums, beispielsweise in der
Tabakwerbung, zu bevorzugen (15, 17). Andere geben zu bedenken, dass das hohe
Gut der akademischen Freiheit gefährdet sei, wenn auf das Akquirieren von Finanzmitteln Einfluss
genommen werde (12, 14, 15, 17). Die zunehmende generelle Knappheit an Forschungsgeldern
mache Beschränkungen der Finanzierungsquellen problematisch (9, 12, 15, 17).
Heute werde bereits ein Großteil der Forschung über Drittmittel, einschließlich
solchen der Waffenindustrie (8),
finanziert.
Auch die aus Steuern finanzierte staatliche
Forschungsförderung profitiere in manchen Ländern von der Tabaksteuer, also auch vom Tabakkonsum. Sogar
ein Teil des Sozialstaats werde manchmal über
Tabaksteuern finanziert (18), und in vielen Ländern habe jeder Bürger
durch das Einfließen der Tabaksteuer in den allgemeinen Staatshaushalt vom
Tabakverkauf Nutzen (19).
Weiterhin werde es ohnehin immer Forscher geben, die
Tabakindustriegelder annähmen (19). Darüber hinaus wird argumentiert, dass auch andere Forschungsfördernde
Industrien (pharmazeutische Industrie, Hersteller von Baby-Nahrung, Alkoholindustrie) ein
ethisch fragwürdiges Verhalten zeigten und jede Form der Förderung Abhängigkeiten und Einflussnahmen
erzeuge (16, 19). Schließlich sei Tabak ein legales Produkt, und die Zusammenarbeit mit einer legalen
Industrie wie der Tabakindustrie sollte vertretbar sein (12, 17).
Aus unserer Sicht ist eine Zusammenarbeit mit der
Tabakindustrie abzulehnen: Erstens werden wichtige Kriterien einer freien Wissenschaft nicht
erfüllt; zweitens werden Prinzipien der allgemeinen sowie der ärztlichen Ethik verletzt. Beide Argumente
werden auch durch die Lehre der Wissenschaftsethik begründet (20, 21), die sowohl die Standards und
Spielregeln innerhalb des Wissenschaftsprozesses festlegt, als auch die Verantwortung des Wissenschaftlers,
insbesondere gegenüber der Gesellschaft, beschreibt. Die Tabakindustrie lässt
akademische Freiheit nicht zu. Durch Verwendung der fünf oben genannten
Methoden werden die Kriterien einer
freien Wissenschaft auf breiter Front untergraben. Obwohl die Methoden „Ablenkung“ und „Verdünnung“ vom
Wissenschaftler auf den ersten Blick kein fragwürdiges Verhalten erfordern, führt die alleinige Teilnahme an
derartigen Projekten der Tabakindustrie unweigerlich zur Verfälschung des wissenschaftlichen
Erkenntnispools (3).
Verlust der akademischen
Freiheit
Darüber hinaus sind von der Tabakindustrie geförderte
Wissenschaftler nachweislich in ihrer
Meinungsäußerung zum Thema Rauchen gehemmt (11, 12, 17). Ein forschender
Arzt begibt sich durch die Annahme von
Tabakgeldern in finanzielle und psychologische Abhängigkeit, wird dadurch zum
Sprecher der Industrie gemacht oder –
noch subtiler – zum Schweigen gebracht. Selbst eine unterstellte „freie“ Förderung durch die Tabakindustrie lässt
einen Wissenschaftler nicht vergessen, dass unliebsames Verhalten oder ein ungünstiges
Studienergebnis künftige Fördergelder verhindern können. Die internen Dokumente der Industrie belegen, dass nicht
wissenschaftlicher Erkenntnisgewinn das Ziel der Tabakindustrie ist, sondern die Förderung
ihres Produkts und die Verhinderung wirksamer
Tabakkontrollmaßnahmen. Forschende Ärzte verlieren durch eine
Zusammenarbeit mit der Tabakindustrie ihre akademische Freiheit und verletzen
die Regeln des Wissenschaftsprozesses.
Das zweite Argument gegen eine Zusammenarbeit mit der
Tabakindustrie liegt in den
gesundheitsschädlichen Folgen des Produkts Zigarette und dem
unmoralischen Verhalten dieser Industrie
begründet. Ärzte werden als Wissenschaftler ihrer Verantwortung für die
Gesellschaft nicht gerecht, wenn sie Geld aus den Verkaufsgewinnen eines
Produkts annehmen, dessen Konsum in Deutschland für nahezu 140 000, in Europa für 650 000 und weltweit
für vier Millionen Menschen pro Jahr tödlich ist.
Die
Tabakindustrie ist einzigartig (im Vergleich zu anderen Industrien) im
Ausmaß der tödlichen Folgen ihres Produkts, welches völlig legal und dennoch
hochgradig toxisch ist und schwere Sucht erzeugt. Ebenso ist die Tabakindustrie unvergleichbar in Art und
Umfang unehrlicher und manipulativer Praktiken (19), wie beispielsweise dem jahrzehntelangen Leugnen
und Verschleiern der Gesundheitsschäden des Aktiv- und Passivrauchens oder der
Beimischung suchterzeugender Zusatzstoffe bei der Zigarettenherstellung (22).
Die
Tabakindustrie hat ihre Forschungsprogramme dafür missbraucht, die
Fragen der Gesundheitsschädigung durch
Rauchen als offen und unbewiesen darzustellen, und hat so Maßnahmen des Staates
zum Schutz des Verbrauchers verhindert
(12, 15). Ärzte und Wissenschaftler haben durch ihre Teilnahme an
derartigen Programmen diese Strategie
mitgetragen, unterstützen das Streben der Zigarettenhersteller nach Glaubwürdigkeit und dem Image einer
verantwortungsbewussten Industrie (11, 12, 23) und dienen so der Tabakindustrie
bei der Verbreitung ihres Produkts (17). Zahlreiche Motive für die
Zusammenarbeit mit der Tabakindustrie
sind vorstellbar, jedoch bisher nicht untersucht worden.
Der Wunschtraum, eine „gesündere Zigarette“ zu entwickeln, der von der Tabakindustrie
jahrzehntelang zur Manipulation der Fachwelt, der Öffentlichkeit und des
Verbrauchers eingesetzt wurde und sich als fatale Illusion erwies, hat viele
Forscher verführt, von der
Tabakindustrie Fördergelder zu akzeptieren (3, 24). Selbst renommierte Ärzte,
die sich ansonsten engagiert für das Gemeinwohl einsetzten, ließen sich durch
die Annahme von Tabakgeldern von der
Zigarettenindustrie korrumpieren. Unfreiwillig haben sie so die Ausbreitung der
Tabakepidemie gefördert (3, 23, 24).
Trotz möglicher Erkenntnisgewinne durch ihre Forschung haben sie durch die
gleichzeitige Unterstützung der
Tabakindustrie einen Nettoverlust für die Gesellschaft bewirkt. Die Interessen
dieser Industrie und das gesundheitliche
Wohl der Menschen sind unvereinbar (17).
Der ethische Kodex
Die Motive des einzelnen Forschers für die Annahme
von Tabakgeldern sind nicht bekannt. Eine
Beurteilung des Verhaltens des Einzelnen ist daher in der Regel weder
möglich noch zielführend und ist nicht
unser Anliegen. Vielmehr sollten Überlegungen angestellt werden, wie die
Unterstützung der Tabakindustrie durch
Ärzte und Wissenschaftler verhindert werden kann. Hierfür existieren weltweit
eindrucksvolle Beispiele. Eine
zunehmende Zahl internationaler Forschungseinrichtungen verweigert inzwischen
die Annahme von Mitteln der
Tabakindustrie, wie beispielsweise die Harvard School of Public Health oder
die Universitäten von Glasgow,
Washington oder Sydney (14, 17, 23, 24). Zahlreiche Universitäten haben Spenden der Tabakindustrie abgelehnt (15,
17). Desgleichen verweigern viele internationale forschungsfördernde
Organisationen Wissenschaftlern, die Tabakgelder annehmen, die Förderung (15,
17, 24, 26). Im Jahr 2000 löste die
Nottingham University, Großbritannien, mit der Annahme von 3,8 Millionen Pfund Sterling von British American Tobacco
für ein „Internationales Zentrum für Korporative Soziale Verantwortung“ einen Proteststurm aus (17,
27). Ähnliche Empörung über Tabakindustrieförderung von akademischen Einrichtungen wurde aus den USA,
Kanada, Australien, Israel und Südafrika berichtet (14, 19). In Deutschland wird das Problem hingegen
praktisch nicht thematisiert.
Darüber hinaus wird international eine kontroverse
Diskussion geführt, ob die Publikation
tabakindustriegeförderter Studien von Fachzeitschriften generell
abgelehnt oder akzeptiert werden sollte (13,
26, 28). Herausgeber zahlreicher renommierter medizinischer
Fachzeitschriften lehnen Publikationen von
tabakindustriefinanzierter Forschung ab (13, 26, 28). Anderen
Herausgebern geht dieser Schritt zu weit. Sie
befürworten eine Erklärungspflicht aller Interessenkonflikte und wollen
dem Leser das letzte Urteil über den
Wert der publizierten Forschung überlassen (13). Als jedoch das BMJ im
Jahr 2003 einen Artikel aus
tabakindustriefinanzierter Forschung publizierte, der den längst
bewiesenen Zusammenhang zwischen
Passivrauchen und Gesundheitsschäden erneut bezweifelte (29), ging eine
Protestwelle durch die Wissenschaftswelt
(30).
Das Deutsche Krebsforschungszentrum hat kürzlich als
erste Institution einen ethischen Kodex
verabschiedet (31), der jede Zusammenarbeit mit der Tabakindustrie
ablehnt. Auch der Verband der
Lungenfachärzte richtet sich ausschließlich gegen die Tabakindustrie und
wurde nicht durch Einbeziehung anderer Industrien oder Drittmittelgeber
verwässert. Universitäten, Forschungsinstitutionen, medizinische Fakultäten und weitere relevante medizinische
Fachgesellschaften könnten den zahlreichen Beispielen folgen und gegen die Korruption ihrer ethischen
Grundsätze und Wissenschaft Position beziehen. Ebenso könnte die Deutsche Forschungsgemeinschaft
eine Förderung von Wissenschaftlern ablehnen, die mit der Tabakindustrie zusammenarbeiten. Entschiedene
Stellungnahmen von Ärzten und Wissenschaftlern sind ein hochwirksames Signal. Die Aufnahme eines
entsprechenden Kodex in die (Muster-)Berufsordnung der Bundesärztekammer, die schon oft und deutlich
gegen das Rauchen Stellung bezogen hat, könnte ein entscheidender Schritt auf diesem Weg sein.
Dtsch Arztebl 2007; 104(12): A 770–4
Anschrift der Verfasser
Dr. med. Thilo Grüning
MSc DLSHTM DEAA,
European Centre on Health of Societies in Transition, London School of
Hygiene and Tropical Medicine, Keppel
Street, London WC1E 7HT, United Kingdom
E-Mail: t@gzzz.freeserve.co.uk
Dr. med. Nicolas Schönfeld
Lungenklinik Heckeshorn
HELIOS Klinikum Emil von Behring
14165 Berlin