Uran auf Äckern

Phosphat-Dünger enthält bis zu 100 Gramm Uran pro Tonne

Mit dem Dünger kippen die Bauern auch in der Schweiz erhebliche Mengen Uran auf ihre Felder. Während das Problem in Deutschland debattiert wird, fehlen in der Schweiz genaue Daten und Grenzwerte.

 

Pascal Hollenstein

 

Uran ist ein radioaktives Schwermetall. Uran ist giftig. Und Uran liebt Phosphat. Fast überall, wo Phosphat abgebaut wird, kommt auch Uran vor. 65 bis 141 Gramm Uran pro Tonne hat man im Phosphat aus den USA, dem wichtigsten Produzenten, nachgewiesen. In brasilianischem Phosphat wurden 220 Gramm pro Tonne gemessen.

 

Laut einer UN-Statistik importiert die Schweiz pro Jahr rund 17 000 Tonnen Phosphate. Der Stoff wird zur Herstellung von Düngern benötigt, die in der Landwirtschaft und der Freizeitgärtnerei eingesetzt werden. Mit den Phosphaten reist aber auch das Uran in die Schweiz - und landet auf Äckern und Wiesen.

 

In der deutschen Wochenzeitung «Die Zeit» hat Ewald Schnug, Professor an der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft in Braunschweig, nun vor den uranhaltigen Phosphat-Düngern gewarnt. Schnug hat errechnet, dass ein durchschnittlicher deutscher Bauer auf seinen Feldern pro Hektare und Jahr mit dem Dünger bis zu 21 Gramm Uran verstreut. Es gebe keinen Grund anzunehmen, dass das in der Schweiz anders sei, sagt Schnug.

 

Im Auftrag des Bundesamts für Umwelt, Wald und Landschaft (Buwal) hat das Paul-Scherrer-Institut Dünger untersucht. Dabei, heisst es in einem Buwal-Bericht, sei man auf einen Uran- Gehalt von 100 Gramm Uran pro Tonne Trockensubstanz gestossen. Es sei davon auszugehen, dass bei Böden, die in den letzten 40 Jahren mit Phosphat-Düngern behandelt worden seien, bereits 10 Prozent der radioaktiven Strahlung aus dem Dünger stamme.

 

Obwohl der Bericht aus dem Jahr 1991 Abklärungen «im Detail» forderte, blieb der Bund während mehr als einem Jahrzehnt untätig. Man habe beim Dünger wichtigere Probleme gehabt, erinnert sich ein Buwal-Mitarbeiter, vor allem die Frage der Belastung durch Cadmium: «Die Sache mit dem Uran schien uns da weniger dringlich. Sie ist schlicht versandet.»

 

In der Zwischenzeit dürfte sich das Problem verschärft haben. Bis zum Ende des Kalten Krieges war in einigen Ländern das Uran dem Phosphat chemisch entzogen und für militärische und zivile Zwecke verkauft worden. Da wegen der nuklearen Abrüstung aber der Uran-Preis einbrach, sind diese Extraktions-Anlagen stillgelegt worden. Damit verbleibt noch mehr Uran im Phosphat als früher.

 

Trotz der Studie von 1991 und den neuesten Entwicklungen gibt es in der Schweiz keine Vorschriften über Uran in Düngemitteln. «Ich habe von der Sache erst kürzlich erfahren», sagt Roger Frossard, der im Bundesamt für Landwirtschaft für die Dünger-Zulassung zuständig ist. Eine Deklarationspflicht existiert nicht: Der Bauer weiss also nicht, wie viel Uran er mit dem Dünger einkauft, und hat keine Möglichkeit, auf weniger uranhaltige Produkte auszuweichen. Ahnungslos sind auch die Produzenten: «Wir wissen nicht, wie viel Uran in unseren Produkten ist», gesteht Hansueli Schaufelberger vom Dünger-Lieferanten Landor ein.

 

Unbekannt ist auch, wie viel Uran genau dem Boden bereits zugeführt worden ist und wie sich dieses dort verhält. «Für Uran fehlen uns die Daten», sagt Satish Gupta von der Eidgenössischen Forschungsanstalt Reckenholz. Es sei eben wie mit dem Huhn und dem Ei, erklärt Gupta, der die Abteilung Bodenchemie leitet: «Ohne Richtwert keine Analyse - und ohne Analyse kein Richtwert.»

 

Ist das Uran, das mit dem Dünger auf die Schweizer Böden gelangt, gefährlich für den Menschen? Otmar Zoller vom Bundesamt für Gesundheit glaubt mit Blick auf ausländische Studien nicht daran. Zudem, sagt Zoller, gebe es im Schweizer Boden ohnehin viel Uran, da das Land reich an uranhaltigen Gesteinen sei. Ewald Schnug freilich beruhigt das nicht: «Wenn schon viel da ist, scheint es mir nicht sonderlich klug, noch mehr obendrauf zu kippen», sagt er. Der Landwirtschaftsboden sei schliesslich keine Deponie für Schwermetalle.

   

Diesen Artikel finden Sie auf NZZ Online unter: http://www.nzz.ch/2005/06/12/il/articleCW5YD.html