1949 Strassenkinder prägten das Leben

Mutter ließ mich fast nie auf die Strasse, da die dortigen Kinder kein Umgang für einen Arztsohn wären. So spielten sich die Kontakte mit Gleichaltrigen meist nur auf dem Schulweg ab. Die früheste Erinnerung besteht an Samuel. Sein Vater war ein jüdischer Straßenhändler an der Möhlstrasse, dem Münchner Schwarzhandelsplatz. Seine Mutter hasste die Deutschen. Er gefiel mir sehr, weil er so frech war, sich nichts gefallen ließ und mit jedem raufte. Er war jünger als ich, sehr einfach strukturiert, aber er liebte mich sehr. Seine Mutter jagte mich weg, ich sei ein „Geu“. es sollte ein Schimpfwort als Nichtsjude sein. Ich fand es lustig. Sie sagte jedesmal, ihr Sohn sei „der größte, klügste und würde einmal sehr reich“. Meine Mutter meinte, das seien die erfolgreichen Säulen der jüdischen Kindererziehung. Von meinem Bruder und mir sagte sie immer das Gegenteil. Ich schwor mir, meine Kinder auch einmal „jüdisch zu erziehen“ und zu überprüfen, ob dies gut wirkt. Heute bin ich überzeugt, dass dies prima ist.

Bei meinem Lebenswerk stellte ich mir immer vor, ein Jude zu sein, dem die ganze Welt hilft. Dies half mir, Schwierigkeiten leichter zu überwinden.

Meinen Enkelkindern wünsche ich, auch so gefördert zu werden.

(Zusatz zur Biografie)