Quecksilberdämpfe wirken antibiotisch

Während meiner Tätigkeit auf der Abteilung für Haut- und Geschlechtskrankheiten bot sich noch Gelegenheit zu anderen Kranken-beobachtungen: Gerhardt hatte in seinen Vorlesungen die Vermutung aufgestellt, daß bei der damals üblichen Schmierkur das auf die Haut eingeriebene Quecksilber großenteils nicht von der Haut, sondern durch die Einatmung der von der Haut ausgehenden Quecksilber-dämpfe aufgenommen würde. Es gelang leicht, diese Frage zu entscheiden, und zwar in folgender Weise:

Die Quecksilbersalbe wurde bei mehreren Patienten mit frischer sekundärer Lues nicht auf die Haut aufgestrichen, sondern auf Tuchlappen, welche dem Kranken unerreichbar oberhalb des Krankenbettes an Fäden im Zimmer aufgehängt wurden.

Mit Hilfe einer einfachen Methode, nämlich durch Amalgambildung an einigen in den Urin eingetauchten Messingdrahtspänen, gelang es leicht, den Quecksilbernachweis im Urin und auch im Kot des Patienten zu erbringen. Die Patienten waren in einem Isolierzimmer untergebracht und mußten im Bett liegen bleiben. Es stellte sich heraus, daß die Quecksilberausscheidung durch Kot und Harn zwar einige Tage später auftrat als bei kutaner Einreibung, daß aber die Symptome der sekundären Lues fast ebenso rasch zur Heilung kamen wie bei der Schmierkur.

 

Friedrich von Müller

LEBENSERINNERUNGEN

J. F. LEHMANNS   VERLAG • MÜNCHEN ,1951, 56