Perchlorethylen

 

Synonyme

Tetrachlorethylen, Tetrachlorethen, Per, Tetrachloräthylen, Perchloräthylen, Perawin, Tetralex etc.

 

Chemische Formel

Cl2C = Ccl2

 

Beschaffenheit

Perchlorethylen ist eine klare, farblose unbrennbare Flüssigkeit mit chloroformähnlichem Geruch, die in

Wasser kaum lösbar, aber mit organischen Lösemitteln gut mischbar ist. Seine Dämpfe sind schwerer als

Luft und sinken zu Boden (Unfallgefahr). Bei Kontakt mit Wasser zersetzt sich die etherisch riechende Flüssigkeit

langsam in Trichloressigsäure und Chlorwasserstoff. Bei 700 sC erfolgt in Gegenwart von aktivem

Kohlenstoff  Zersetzung zu Hexachlorethan und Hexachlorbenzol (ROTH et al., 1992).

Physikalische Daten:

Molekulargewicht 165,9;MAK-Wert 100 ppm; 670 mg/m3; Schmelzpunkt (Erstarrungstemp.) –23,5 s C;

Siedepunkt 121 s C; Zersetzungstemperatur 150 s C; Dichte bei 20 sC 1,62 g/cm3; Dampfdruck bei 20 sC

19 mbar; Verdunstungszahl 9,5 (Ether = 1); Geruchsschwelle ca. 50 ppm

1 mg/m3 = 0,145 ml/m3

1 ml/m3 = 6,893 mg/m3

(BIETHAN et al., 1984; KÜHN-BIRETT, 1986; SAX, 1979; VERSCHUEREN, 1977).

Verwendung/Vorkommen

Perchlorethylen wird vielfach als Lösemittel für Fette, Öle, Bitumen, Teer, Wachse,Harze etc. verwendet.

Hauptsächliche Anwendung in der Reinigungsindustrie (gefährliche Abgase!) und in der Metallindustrie

zum Entfetten von Metallen. Anwendung auch bei der Präparation von Tieren und in der Anatomie zum

Entfetten von Präparationsobjekten. Früher  wurde es auch als Wurmmittel gegen Eingeweidewürmer

verwendet (heute obsolet)

Einsatz als Lösemittel in Chemischen Reinigungen.

In Deutschland wurden in Chemischen Reinigungen zuletzt praktisch nur noch CKWs wie Trichlorethylen,

1,1,1-Trichlorethan (Methylchloroform) und insbesondere Tetrachlorethen (Per) sowie FCKWs wie das

FCKW 113 eingesetzt. 1986 bestanden dabei über 85 % des Verbrauchs aus Per und ca. 10 % aus FCKW

113. Gesetzliche Maßnahmen haben die Verwendung dieser Arbeitsstoffe jedoch stark eingeschränkt.

Der Einsatz von Trichlorethylen und Methylchloroform sowie FCKW 113 ist verboten. Drastische

Einschränkungen für die Anwendung wurden verfügt. Anlass waren u.a. Untersuchungen, die erhebliche

Belastungen der Umgebung von Chemischen Reinigungen belegten.

Sowiesen nur sehrwenigeRäume Per-Konzentrationen  unterhalb desVorsorge-Grenzwertes von 0,1mg/m3,

aber rund 10 %aller Fälle Überschreitungen des vomBundesgesundheitsamt zurGefahrenabwehr für erforderlich

gehaltenen Wertes von 5 mg/m3 auf. Entsprechend fanden sich bei den Bewohnern Per-Gehalte im

Blut, die bis zum 50fachen über dem Normalwert lagen.

Darüber hinaus wurden in einer Vielzahl von Fällen Lebensmittel kontaminiert. Insbesondere fettreiche

Produkte wiesen Konzentrationen weit über dem Grenzwert von 0,1 mg/kg nach der Lösungsmittel-

Höchstmengenverordnung (LHmV) auf.

Aufgrund der jahrzehntelangen großtechnischen Herstellung und des Einsatzes als Lösemittel findet man

Spuren von Perchlorethylen  in Umweltproben ebenso wie in Nahrungsmitteln. Dies ist nicht erstaunlich,

wenn man berücksichtigt, dass etwa 85% des verwendeten Perchlorethylens in die Luft freigesetzt werden

sollen (FULLER, 1976). So wurde z. B.einMittelwert von 6,1 ` g/m3 Luft für das Gebiet von Bochum mitgeteilt

(BAUER, 1981), aus England liegen Werte bis 270 ` g/m3, aus den USA sogar über 4500 ` g/m3 in der

Stadtluft von Los Angeles vor (JARCK, 1979; WHO, 1984).

DerNachweis von Spuren an Perchlorethylen imTrinkwasser wurde darauf zurückgeführt, dass es bei der

Chlorierung entstehen kann. Es wurde aber ebenso in den Oberflächenwässern und im Meerwasser nachgewiesen.

FürMilchprodukte, Fleisch, Öle und Fette,Getränke, Früchte, Gemüse und Brot wurden bereits

1976 Verunreinigungen in Konzentrationen der Größenordnung 0,1 bis 10 ` g/kg mitgeteilt (INGR, 1976;

HABS et al., 1988).

Neue Studie zur PER-Belastung:

Am Institut für Hygiene der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf wurden im Auftrag des Umweltbundesamtes

in Zusammenarbeit mit demMedizinischen Institut für Umwelthygiene an der Universität

Düsseldorf und dem Institut für Genetik der Universität Gesamthochschule Essen Untersuchungen zur

Belastung der Bevölkerung durch organische Lösungsmittel durchgeführt. Eine Belastung durch PER

kann relativ leicht durch die Untersuchung von Blutproben gezeigt werden: Bei nicht PER-belasteten

Personen wurden Blutkonzentrationen von weniger als einemMikrogrammpro Liter Vollblut gemessen.

Demgegenüber wiesen 103 Anwohner aus dem gleichen bzw. Nachbarhaus von Chemisch-Reinigungen

durchschnittliche PER-Konzentrationen im Blut von 13Mikrogramm pro Liter bis zu 257Mikrogramm

pro Liter auf. Bei einer Gruppe von 45 in Chemisch-Reinigungen Beschäftigten aus Düsseldorf stieg die

PER-Konzentration imBlut vor Arbeitsbeginn imDurchschnitt vonmontags 147Mikrogramm pro Liter

auf 416Mikrogrammpro Liter amFreitag. Freitags wurdenMaximalwerte bis zu 2000Mikrogrammpro

Liter gemessen. Während der Arbeitszeit erreichen die Blutkonzentrationen noch wesentlich höhere

Werte. Bei 20 Prozent der Chemisch-Reiniger wird am Freitag der sogenannte biologische Arbeitsstofftoleranzwert

(BAT-Wert), der zur Überprüfung der individuellen Belastung von PER-belasteten Arbeitnehmern

eingeführt wurde, überschritten.

Es wurde bereits erwähnt, dass Personen aus der Nachbarschaft von  Chemisch-Reinigungen zum Teil

erheblich PER-belastet sind. Bei der Untersuchung der 103 Anwohner aus der Umgebung von Chemisch-

Reinigungen wurden zusätzlich Informationen zur Lage der Wohnung und der Aufenthaltsdauer in der

Wohnung erbeten.

Dabei lässt sich eine deutliche Beziehung zwischen Lage der Wohnung und der Reinigung erkennen: Je

dichter die jeweiligeWohnung bei der Chemisch-Reinigung liegt, umso höhere PER-Konzentrationen sind

im Blut der Anwohner nachzuweisen. Der Anstieg der Blutkonzentrationen  bei Anwohnern, die in höheren

Stockwerken wohnen, ist möglicherweise durch Leitung der Abluft über das Dach zu erklären.

Neben dem Lageeffekt kann eine Abhängigkeit von der Aufenthaltsdauer in der Wohnung gezeigt werden.

Bei Anwohnern, die etwa gleich weit von der Chemisch-Reinigung entfernt wohnen (zum Beispiel in der

ersten Etage über der Chemisch-Reinigung), steigt der Durchschnittswert der Blut-PER-Konzentration mit

zunehmender Aufenthaltsdauer in der Wohnung an. Das heißt, Personen, die sich länger in ihren

Wohnungen aufhalten, haben nicht dieMöglichkeit, das in den Körper aufgenommene PER wieder über ihre

Lungen abzuatmen. Oft halten sich Kinder sowie ältere und kranke Menschen länger in den Wohnungen auf.

Wirkungscharakter

Narkotisch, in hohen Konzentrationen toxisches Lungenödem; hepatotoxisch; starke lokale Reizwirkung

bei oraler Aufnahme; ZNS-Depression (STEWART et al., 1961; STEWART, 1969).

Ein Risiko der Fruchtschädigung braucht bei Einhaltung des Grenzwertes (TRGS 900) nicht befürchtet zu

werden.

Kann zu Rauschzustand führen; Schädigung der Augenhornhaut; Schädigung von Leber und Nieren

möglich; Schwindel, Kopfschmerzen, Benommenheit bis zur Bewusstlosigkeit oder andere Hirnfunktionsstörungen

können auftreten.

Hirnschäden durch Tetrachlorethen:*

* Quelle:PICKSHAUS, K., PRIESTER, K.: Lösemittel und Ersatzstoffe. Arbeit & Ökologie, Frankfurt, 1991.

In einer Untersuchung der Universität des Saarlandes wurdenHirnschäden durch Perchlorethylen nachgewiesen.

Die jetzt veröffentlichten Ergebnisse könnten die Diskussion um die Auswirkungen giftiger Löse-

mittel in Bewegung bringen: Bisher waren solche Befunde vor allem von skandinavischen Forschern vorgelegt

worden, während führende deutsche Arbeitsmediziner derartige Zusammenhänge lange Zeit

geleugnet hatten.

Eine Forschergruppe der Universität des Saarlandes berichtete in der November-Ausgabe des „Zentralblatts

für Arbeitsmedizin“ 1990 über eine Untersuchung von 14 Patienten, die Perchlorethylen (PER)

ausgesetzt waren. 13 Patienten wurden mit einer modernen Methode, der Kernspintomographie, durchleuchtet.

Dabei wiesen zwölf Patienten eine sichtbare Gehirnveränderung auf.

Bei dem Untersuchungskollektiv handelte es sich um Arbeiter einer Tierkörperbeseitigungsanstalt. Die

durchschnittliche Betriebszugehörigkeitsdauer betrug 13 Jahre. PER wurde zur Entfettung der Kadaver

benutzt. Die Anlage war als geschlossenes System ausgelegt, doch bestand aufgrund permanenter Undichtigkeiten

bei den Befüll-, Entleerungs- und Reinigungsvorgängen eine nahezu ständige Lösemitteleinwirkung

auf die Arbeiter. Die gesundheitsschädigende Wirkung von PER war den Arbeitern nicht bekannt.

Alle litten während ihrer Arbeit an Benommenheit, Konzentrationsstörungen und gelegentlichen Rauschzuständen.

Die internistische Untersuchung ergab Auffälligkeiten hinsichtlich folgender Befunde: erhöhter Blutdruck,

tastbare und laborchemische Anzeichen von Leberschädigung und Blutbildveränderungen. Auf neurologischem

Gebiet zeigten sich bei den Untersuchten deutliche Störungen der Koordinationsfähigkeit. Auffallend

sind Beschwerden wie Muskelschwäche undMuskelschmerzen.

Die Kernspintomographie ergab messbare Gehirnverkleinerungen. Interessant ist, dass das von vielen

Arbeitsmedizinern als aussagekräftig angesehene EEG, das die Gehirnströme misst, nicht verändert war,

sich infolgedessen zur Messung von Lösemittelschäden als nicht tauglich herausstellte. Die psychologischen

Untersuchungen (Psychometrie) zeigten bei allen Patienten deutliche Veränderungen wie allgemeinen

Leistungsabfall, Depressionen, soziale Rückzugstendenzen und leichte Reizbarkeit. Alkoholismus

konnte als Ursache weitgehend ausgeschlossen werden.

Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass mit der Kombination von Kernspintomographie und Psychometrie

Lösemittelschäden am ehesten nachweisbar sind. Ob die angekündigte operative Entfernung von

Muskelgewebe zur weiteren Abklärung von Schädigungen der Nervenzellen unbedingt notwendig war

oder nur dem wissenschaftlichen Interesse der Forscher dient, sei dahingestellt.

Der vorliegende Bericht jedenfalls zeigt, wie weit das unbearbeitete Feld der Erforschung arbeitsbedingter

Erkrankungen noch ist. Diese Untersuchungsergebnisse werden die Debatte um Lösemittelschäden mit

Sicherheit vorantreiben. Denn es zeigt sich, dass die deutsche Arbeitsmedizin offensichtlich nicht länger

generell daran festhalten kann, die Existenz lösemittelbedingter Hirnschäden zu leugnen.

Stoffwechselverhalten

Perchlorethylen wird rasch über den Respirationstrakt aufgenommen. Aber auch die Aufnahme aus dem

Magen-Darm-Trakt ist nachgewiesen. Sowohl aus gezielten Untersuchungen als auch aus Erfahrungen bei

der Gabe von Perchlorethylen als Anthelminthika weiß man, dass die Zubereitung in Fetten und Ölen die

intestinale Absorption steigert. An der Maus und für den Menschen wurde die Möglichkeit der transdermalen

Aufnahme nachgewiesen. Sie spielt aber praktisch eine untergeordnete Rolle. Unabhängig von der

Art der Gabe wird Perchlorethylen überwiegend unverändert über die Atemluft (bei der Ratte zu etwa

70%) ausgeschieden. Stoffwechselprodukte sind sowohl im Urin als auch in den Fäzes nachgewiesen

worden. Für Ratte und Maus spielt die Exkretion über den Urin hierbei die quantitativ entscheidende

Rolle. Die biologische Halbwertszeit von Perchlorethylen wird für den Menschen mit 144 Stunden angegeben

(IKEDA, 1977).

Wichtig für die Beurteilung der möglichen Gefährdung durch chronische Exposition gegenüber Perchlorethylen

ist seine gute Fettlöslichkeit im Vergleich zur Metabolisierungsrate. Sie bewirkt bei wiederholter

Aufnahme eine Akkumulation von Perchlorethylen im Fettgewebe, aus dem es dann kontinuierlich in den

Organismus abgegeben wird.

Wie für andere chlorierte Kohlenwasserstoffe ist beim Perchlorethylen davon auszugehen, dass es in vivo

oxidativ dehalogeniert wird. Das Ausmaß dieses Stoffwechselschrittes, der stets zu reaktivenMetaboliten

führt, entscheidet über die spezies- und organspezifische Giftigkeit der Verbindung.

Als Hauptmetaboliten sind in Körperflüssigkeiten verschiedener Tierarten und beim Menschen Trichloressigsäure

und Oxalsäure nachgewiesen worden. Biologisch wichtigster Metabolit ist das Epoxid bzw.

Diol. Der Nachweis von S-1,2,2-Trichlorvinyl-N-acetylcystein im Urin nach Gabe von Perchlorethylen

belegt die Möglichkeit eines zweiten Metabolisierungsweges über die direkte Bindung an Glutathion

(DEKANT, 1986).Nach enzymatischer Umwandlung des Glutathionadduktes entsteht Trichlorvinylcystein.

Es besteht die Möglichkeit, dass organspezifische q -Lyasen den Cysteinrest abspalten, wodurch reaktive

Metaboliten entstehen können, die für die eigentliche Giftwirkung des Perchlorethylens verantwortlich

sind. q -Lyase-Aktivität ist in Ratten- und Rinderleber und auch in der Rattenniere nachgewiesen worden.

In Anwesenheit von NADPH und Glutathion-S-transferase wird die mikrosomale Bildung von Trichlorvinylglutathion

reduziert. Dies weist darauf hin, dass es sich beim oxidativen Metabolismus und bei der

direkten Bindung an Glutathion umKonkurrenzreaktionen imStoffwechsel handelt.Durch Einnahme von

Alkohol kann die Oxidation über die Cytochrom-p-450-abhängigen mischfunktionellen Oxygenasen

kompetitiv gehemmt werden (MAY, 1976). Entscheidend für die toxischen Wirkungen ist demnach nicht

Perchlorethylen per se, sondern es sind dies seine reaktiven Metaboliten, die in Konkurrenzreaktionen in

unterschiedlichem Ausmaß entstehen können. Je nachdem, welche Abbauwege in einer Spezies bzw. einem

Organ überwiegen, kann Perchlorethylen unverändert bleiben, entgiftet oder auch zu hochreaktiven

Produkten biotransformiert werden (vgl.Mutagenität, Kanzerogenität).

Toxizität

LC0 · 10–2 Ratte, inhal.: 40 ppm/4 h

TC0 · 10–2Mensch, inhal.: 2,3 ppm (BROWNING, 1965)

LD50 (Ratte, oral): 13 g/kg

MAK: 30 ppm (345 mg/m3) (SCHIWARA et al., 1994)

Perchlorethylen ist jedoch wegen seiner hohen Flüchtigkeit akut weniger toxisch als andere Chlorkohlenwasserstoffe.

Allerdings sind auch Todesfälle beschrieben worden (LEVINE, et al., 1981; LUKASZEWSKI,

1979).

Reproduktionstoxikologie:*

* Quelle:HABS, H., FORTH,W.: Tetrachlorethylen. DAZ 34: 1729 (1988)

Exponierte manRatten undMäusewährend der Trächtigkeit gegenüber Perchlorethylen in nichttoxischen

Dosen, kam es zu einer Reduktion des Körpergewichtes derMuttertiere und zu einem leichten Anstieg der

Anzahl an Resorptionen. Während bei den Nachkommen der Ratten keine teratogenen Effekte beobachtet

wurden, zeigten die neugeborenen Mäuse eine Reifungsstörung der Skelettbildung (SCHWETZ et al., 1975).

Bei Nachkommen von Ratten, die vor der Paarung und während der Trächtigkeit Perchlorethylen-exponiertwaren,

ergaben sich eine Verzögerung in der fetalen Entwicklung und teratogene Effekte, z.B. Skelettanomalien

(TEPE et al., 1980).

Die Injektion von Perchlorethylen in den Luftsack von befruchteten Hühnereiern erzeugteMissbildungen

und erwies sich als embryotoxisch (ELOVAARA et al., 1979).

 

Mutagenität:*

Perchlorethylen ist in verschiedenen Testsystemen auf mutagene Wirkung geprüft worden (vgl. Tab. 1). Es

wurden sowohl positive als auch negative Befunde mitgeteilt. Dies erstaunt nicht, wenn man berücksichtigt,

dass Perchlorethylen mit anderen chlorierten Kohlenwasserstoffen verunreinigt sein kann, die z.T.

stark mutagene Eigenschaften aufweisen, und wenn man sich in Erinnerung ruft, dass nicht die Verbindung

selbst, sondern einige ihrer Stoffwechselprodukte für die biologischen Wirkungen verantwortlich

sind. Der Metabolit Trichlorvinylcystein erzeugte Mutationen bei Salmonella typhimurium (KLINE et al.,

1982; DEKANT et al., 1986). Auch das Stoffwechselprodukt Perchlorethylenoxid war mutagen im Test an

Salmonella typhimurium und bei einem Escherichia-coli-Stamm (GREEN et al., 1985).

Sowohl im oxidativen Abbau als auch nach Bindung an Glutathion können demnach Metaboliten

entstehen, deren genotoxische Wirkung nachgewiesen ist. Somit sollte Perchlorethylen eine mutagene und

genotoxische Potenz nicht grundsätzlich abgesprochen, sondern die jeweilige Verstoffwechselung als ganz

entscheidend für das Risikopotential angesehen werden.


Karzinogenität:*

* Quelle:WILLMER, J.: Gesundheitsgefahren durch Perchlorethylen. Textilreiniger-Kongress 1991

In einer zweijährigen, mit Ratten (Per-Konzentrationen: 0,200 und 400 ppm) und Mäusen (Per-Konzentrationen:

0,100 und 200 ppm) durchgeführten Inhalationsstudie wurde gezeigt, dass Perchlorethylen in

Mäusen, aber nicht in Ratten, bösartige Lebertumoren hervorruft. Eine geringe Zunahme an Nierentumorenwurde

in männlichenRatten festgestellt. Inmännlichen und weiblichen Ratten wurde ein häufigeres

Auftreten von mononuklearer Leukämie beobachtet, was dem variablen hohen Auftreten dieser Tumoren

in einem speziellen Rattenstamm zugeschrieben und nicht als Folge der Perchlorethylen-Exposition

betrachtet wurde. Die Abwesenheit eines gentoxischen Potentials lässt die Frage aufkommen, weshalb

Perchlorethylen besonders in der Leber (Mäuse) und in den Nieren (Ratten) Tumoren erzeugt.

Eine mögliche Erklärung liegt wahrscheinlich im Metabolismus von Perchlorethylen bei Nagetieren.

Perchlorethylen wird in der Leber enzymatisch in Trichloressigsäure (TCA) umgewandelt, die dafür

bekannt ist, die Anzahl und Größe bestimmter enzymhaltiger Organellen in der Leber (Peroxisomen) zu

erhöhen, was zu Tumorbildung in der Leber führen kann. In Mäusen schien der Metabolismus bis zu

Konzentrationen von 400 ppm nicht gesättigt zu sein. In Ratten jedoch sind die TCA-Blutspiegel nie hoch

genug dafür, einen genügenden Anstieg der Peroxisomen zu bewirken, da die metabolischen Prozesse bei

ungefähr 200 ppmgesättigt werden. Demzufolge verursacht Perchlorethylen in Ratten keine erhöhte Rate

an Leberkrebs. Die Peroxisom-Proliferation liefert in Mäusen die Grundlage für einen sekundärenMechanismus

der Lebertumorbildung und steht in Übereinstimmung mit dem Fehlen an gentoxischen Auswirkungen

von Perchlorethylen. Der Peroxisomen-Mechanismus ist für Menschen nicht von Bedeutung, da

TCA in den menschlichen Leberzellen nicht zu einer Leber-Peroxisom-Proliferation führt. TCA-Konzentrationen

in Menschen werden durch die Sättigung des Perchlorethylen-Metabolismus bei niedrigen

Aussetzungskonzentrationen (100 ppm) eingeschränkt.

Um die Bildung von Nierentumoren in männlichen Ratten zu erklären, wurden drei mögliche Mechanismen

identifiziert: chronische Toxizität (Zellschäden), Bildung von hyalinen Tropfen (tritt nur in männlichen

Ratten auf) und eine Glutathion-Konjugation in der Leber, die zu der Bildung eines mutagenen

Cystein-Konjugates in denNieren führt. Die Versuche konnten keine Beweise für die Existenz dieses Stoffwechselweges

in den menschlichen Leberzellen finden. Damit wird die Bildung eines nachfolgenden

Cystein-Konjugates in den Nieren als unwahrscheinlich betrachtet. Scheinbar entsteht das seltene

Auftreten von Krebs in den Nieren der männlichen Ratten aus einer Kombination von Begebenheiten, die

sich hauptsächlich auf die männliche Ratte beschränken und wenig Bedeutung für den Menschen haben.

Zusammenfassend kann festgestellt werden: das aus Stoffwechseluntersuchungen verschiedener Spezien

(einschließlich des Menschen) gewonnene Beweismaterial deutet darauf hin, dass der hauptsächliche Stoffwechselweg

für alle Arten wie folgt lautet: Oxidation auf dem sättigbaren Cytochrom P450-Weg zu Trichloressigsäure.

In der Verwendung dieses Weges wurden bedeutsame Artenunterschiede zwischen

Menschen und Nagetieren festgestellt. Ein zweiter, untergeordneter Weg wurde identifiziert, der die

Konjugation mit Glutathion-S-Transferase einschließt. Dies ist von größter Wichtigkeit, wenn man die

Karzinogenität von Perchlorethylen in Ratten betrachtet.

Da bei einem Viertel der Deutschen das Enzym Glutathion-S-Transferase zur Entgiftung fehlt, kann es zu

einer bedrohlichen Anreicherung kommen.

Zahlreiche bundesdeutsche Arbeitsmediziner behaupteten bisher, dass es keinerlei Hinweise für eine krebserzeugende Wirkung

von PER beim Menschen gebe. Eine Studie aus Dänemark referiert die Literatur und

bietet nunmehr neue Daten, die eine krebserzeugende Wirkung beim Menschen belegen. Die Ergebnisse

der Studie führen erneut zu der Frage, ob es nicht sinnvoll sein könnte, chemische Reinigungsverfahren

generell einzustellen.

US-amerikanische Studien, die seit Beginn der achtziger Jahre durchgeführt wurden, berichten über deutlich

erhöhteKrebsraten (Nieren-, Blasen-,Gebärmutter- und Hautkrebs) beiArbeiterinnen in Wäschereien

und chemischen Reinigungen. In einigen Studien wurden Leberzellkrebs-Erkrankungen festgestellt.

Der Zusammenhang von Lösemitteln und Leberkrebs bei Frauen bestätigte sich bei der Auswertung des

finnischen und nun auch des dänischen Krebsregisters. Dabei wurden Neuerkrankungen von 1970 bis

1980 erfasst. ELISABETH LYNGE von der Dänischen Krebsgesellschaft und LARS THYGESEN vom Dänischen

Statistischen Amt fanden bei Arbeiterinnen in Wäschereien und chemischen Reinigungen ein 3,4faches

Risiko, an Leberzellkrebs zu erkranken.

Auf Männer traf dies allerdings nicht zu. Die Forscher verglichen die Ergebnissemit Daten von Frauen, die

im Hotel- und Gaststättengewerbe arbeiteten. Sie fanden dort kein einziges Leberzellkarzinom. Sie

kommen daher zur Schlussfolgerung, dass als Erklärung für das Übermaß an primärem Leberkrebs bei

Frauen nicht Alkohol, sondern Perchlorethylen in Betracht kommt.

Es bleibt die Frage, warum die krebserregende Wirkung nur bei Frauen auftritt. Hier wären Wechselwirkungen

mit Hormonpräparaten zu diskutieren. Dass PER als mitverursachender Faktor am Krebsgeschehen

beteiligt ist, dürfte mit der vorgelegten Studie bewiesen sein.

(Quelle: PICKSHAUS, K., PRIESTER, K.: Lösemittel und Ersatzstoffe. Arbeit & Ökologie, Frankfurt, 1991)

Chromosomenschäden:*

* Quelle: Medical Tribune, 10.10.90

Eine Studie, die von BÖTTGER et al. 1990 an 7 Personen durchgeführt wurde, belegt die Fähigkeit von Perchlorethylen,

Chromosomenschäden zu verursachen. Die 7 Freiwilligen wurden an 4 aufeinanderfolgenden

Tagen jeweils 4 Stunden lang den chemischen Dämpfen von 10 oder 50 ppm Perchlorethylen

(entsprechend 69 bzw. 345 mg/m3) ausgesetzt. Vor Versuchsbeginn, nach 2 und 4 Stunden sowie 1 und

4 Tage nach Expositionsende wurden Blutproben entnommen, um die PER-Konzentration zu messen und

in Lymphozytenkulturen nach Chromosomenläsionen (Anzahl der Abberationen pro 1000 Metaphasen)

zu fahnden.

Während es unter der niedrigeren PER-Konzentration nur zu geringgradigen Chromosomenveränderungen

kam, fand sich nach Exposition gegenüber 50 ppm (MAK-Konzentration) eine auf dem 5%-

Niveau signifikante Zunahme von Chromosomenläsionen. Zwar liegen die beobachteten Häufigkeiten

nicht wesentlich über dem Bereich der unbelasteten Bevölkerung. „Dennoch gibt der gefundene Anstieg

der Läsionshäufigkeit bei den höher exponierten Probanden Anlass zur Besorgnis“, erklärte Dr. BÖTTGER.

Deutlich erhöht waren auch die PER-Konzentrationen im Blut. Sie erreichten unter der Exposition mit

10 ppm maximale Werte von knapp 500 ` g PER pro Liter Vollblut und stiegen unter 50 ppm auf bis zu

2000 ` /l an.

Blutproben wurden auch von 38 Mitarbeitern chemischer Reinigungen gewonnen, und zwar jeweils

montags und freitags vor Arbeitsbeginn. Man verglich alle Ergebnisse der Chromosomenuntersuchungen

mit denen von nicht PER-belasteten Personen. Das Resultat: Es ließen sich zwar bei den Beschäftigten der

Reinigungsfirmen erhöhte Läsionsraten nachweisen. Die Unterschiede erreichten jedoch keine statistische

Signifikanz. Weitere Studien sind geplant.

Symptome

SystemischeWirkung:

Sowohl die Inhalation als auch die perorale Aufnahme über einen längeren Zeitraum hinweg verursacht

Leber- und Nierenschäden, im Sinne einer toxischen Hepatitis und einer glomerulären Schädigung mit

möglicher Niereninsuffizienz (MECKLER et al., 1966).

 

ZNS-Symptomatik:

Im Vordergrund steht jedoch die toxische Schädigung des Nervensystems, mit zunächst unspezifischen

Erscheinungen wie Müdigkeit, Reizbarkeit, Schwindel, Übelkeit und zentraler Dämpfung, bis hin zur

Bewusstlosigkeit und Koma mit Tod durch zentrale Atemlähmung. Bei höheren Konzentrationen können

Desorientiertheit und epileptiforme Krämpfe sowie Myoklonien und psychische Verwirrtheit auftreten

(GOLD, 1969; LEVINE et al., 1979; LUKASZEWSKI, 1979).

Lokale Wirkung an Haut und Schleimhaut:

Auf Haut und Schleimhäute des Respirations- und Gastrointestinaltrakts und auf die Schleimhäute der

Augen wirkt „Per“ stark reizend. Bei Aspiration besteht die Gefahr eines toxischen Lungenödems. Im

Abdomen kann es wegen der Schleimhautschädigung zu Blutungen und kolikartigen Schmerzen kommen.

Nachweis

– Nachweis in Blut, Urin und Atemluft mittels gaschromatographischer Verfahren (LUKASZEWSKI, 1979;

LEVINE et al., 1981).

– Nachweis von Trichloressigsäure im Urin mittels Gaschromatographie (vergleiche Trichlorethylen).

– Nachweis in der Ausatemluft mittels Dräger-Röhrchen Perchlorethylen 5/a oder 10/b oder 0,1% a:

I. Cl2C= CCl2 + MnO4          – → Cl2

Perchlorethylen Permanganat Chlor

II. Cl2 + C6H5 – NH – C6H4 – C6H4 – NH – C6H5→graublaues Reaktionsprodukt

N,N’-Diphenylbenzidin

Querempfindlichkeit:

Andere Halogene, Halogenwasserstoffe und leichtspaltbare Halogenkohlenwasserstoffe (LEICHNITZ, 1988).

Tab. 1: Nachweis und Normalwerte von Per (SCHIWARA et al., 1994)

Untersuchungsparameter

Probenmaterial Methode Nachweisgrenze Normalwerte

Tetrachlorethen Oxalat-Blut 2 ml GC/ECD 5 ` g/l ‹ 2 ` g/l                 BAT: 1 mg/l

Luft (Passivsammler) GC/ECD 5 ` g/m3 90. Perzentil: 14 ` g/m3

Therapie

Siehe Kapitel III–3 Lösemittel, allgemein (Therapie) unter:

Vitaltherapie: Atemwege, Seitenlage, Rettung aus Gasmilieu

Beatmung: Frischluft, künstliche Beatmung

Circulation: Herz-Lungen-Wiederbelebung, Schock, Lungenödem, Krämpfe, Leberschädigung

Entgiftung: Haut, Augen, Entgiftung fettlöslicher Gifte, Magenspülung, forcierte Abatmung über die Lunge

Fürsorge: Spätschäden, Karzinogen/Mutagen, Vorsorgemaßnahmen

Gegengifte: Dexamethasonspray, PEG 400

Therapie – chronisch

– Expositionsstopp:

Alle diesbezüglichen Giftquellen meiden (siehe Vorkommen)

– Zusatzgifte meiden:

Nahrungsgifte (Pestizide), Verkehrsgifte (Benzol, Blei, Formaldehyd), Wohngifte (Formaldehyd, Lösemittel,

Biozide), Kleidergifte (Formaldehyd, Farben)

– Vitamin- und eiweißreiche Nahrung:

Frische Nahrung, Gemüse, Fleisch

viel Bewegung an frischer Luft.

Täglich zwei Liter Leitungswasser trinken.

Positives Denken, viel Freude, glückliches Sexualleben.

– Erst nach erfolgreicher Durchführung obiger Maßnahmen Versuch einer medikamentösen Beeinflussung

der Organschäden:

Schwindel: Gingko biloba – 3 × 20 mg Tebonin forte

Schwäche bei „MS“: Spasmocyclon – 3 × 200 mg Drgs.

Tetanie: Ca-EAP – 3 × 2 Drgs.

Immun-/u.Nervenstrg.: Johanniskraut-Tee trinken

– Fettlösliches Gift aus Speicher entfernen:

Unterbrechung des Leber-Galle-Blut-Kreislaufs durch das Bindemittel Kohle-/Paraffinöl (9:1) oder nur

durch Paraffinöl. Täglich ein Esslöffel. 8 Tage Gabe, dann 8 Tage Pause.

1. Fall:

N.F., m., 49 Jahre

Diagnosen:

Pleuritis, Pneumonie rechts, Verdacht auf Endocarditis, chronische Perchlorethylen-Exposition, Zustand

nach Aortenbioklappe 1985

Anamnese:

Auftreten von Schüttelfrost, Fieber bis 39 Grad, Gelenkschmerzen, eine Woche später stechende

Schmerzen rechtsthorakal, die dann zur Krankenhausaufnahme führen.

Das Sputum sei anfangs gelblich gewesen, jetzt blutig tingiert.

Appetit und Schlaf gut, Stuhlgang unauffällig, Wasserlassen: Nykturie einmal, Gewichtsverhalten

konstant, Alkohol gelegentlich, Nikotin: 20 bis 30 Zigaretten per die, keine Allergien bekannt.

Medikamente:

Marcumar, Turfa 1×1, Digimerck 1×1, Cordechin 1×1, Amoxicillin 1000 3×1.

In der früheren Anamnese als 10-Jähriger wohl rheumatisches Fieber gehabt, 1985 kardiale Dekompensation

bei Aorteninsuffizienz, Bioklappenersatz in Göteborg. Der Patient ist seit 5/86 als Entsorger beschäftigt,

er habe zwischen 6/86 und 8/86 unter anderem häufiger mit der Ausgabe von PER und TRI zu tun

gehabt. Dieses sei von ihm ohne besondere Schutzvorkehrungen im Kanister abgefüllt worden, dabei

komme es doch gelegentlich zur Durchtränkung der Arbeitskleidung, die er nicht weiter beachtet habe.

Nach 8/86 sei er nur noch gelegentlich mit der Ausgabe von PER beschäftigt gewesen, zuletzt wohl vor

etwas 2 bis 3 Monaten. Er leide in letzter Zeit doch unter zunehmenderMüdigkeit, ferner Konzentrationsund

Gedächtnisstörungen. Ferner Einschlafen der Hände nachts.                   Befund:

48-jähriger Patient in gutem EZ, leicht reduziertem AZ, Haut- und Schleimhautdurchblutung gut, keine

Drüsenschwellung, kein Ikterus, keine Ödeme, keine Zyanose, Augen und Ohren äußerlich o.B.

Rachen reizlos, Zunge feucht, Gebiss saniert, Tonsillen: Tonsillektomie 1949, Hals: keine Einflussstauung,

keine Struma, Brustkorb symmetrisch, Klopfschall sonor, Vesiculäratmen, Pleurareiben rechtsbasal,

Herztöne: Diastolikum mit p.m. über Erb,Rhythmus 84/min unregelmäßig,RR130/75, Leib weich,

Darmgeräusche lebhaft, leichter diffuser Druckschmerz im Oberbauch, keine pathologische Resistenz,

Leber 12 cm in rechter MCL, Milz nicht palpabel. Nierenlager frei, Genitale äußerlich o.B. Rektal o.B.

Wirbelsäule: kein Klopfschmerz, Gliedmaßen aktiv und passiv frei beweglich, peripherer Gefäßstatus

unauffällig, orientierende neurologische Untersuchung: Hirnnerven orientierend o.B., MER seitengleich,

ASR seitengleich nicht auslösbar, keine pathologischen Reflexe, Sensibilität: diskret distale Störung der

Spitz-stumpf-Diskrimination an beiden Füßen. Vom Patienten geklagte nächtliche Parästhesien in den

Fingerspitzen, grobe Kraft seitengleich, Muskeltonus normoton, Eudiadochokinese, Gang unauffällig,

Sprache unauffällig, psychisches Verhalten unauffällig, diskreteWortfindungsstörungen.

Labor:

BSG 89/125 (68/122), Hb 12,5, Leukozyten 10,4; 61 Segmentkernige, 37 Lymphozyten, 1 Eosinophiler,

1 Monozyt (9,1; 60 Segmentkernige, 30 Lymphozyten, 1 Eosinophiler, 1 Basophiler, 8 Monozyten),

342.000 Thrombozyten, Quick 37 %, PTT 32,2 sec, Kreatinin 1,2 (1,0)mg/dl, LAP 50 (43) U/l,Alkalische

Phosphatase 196 (160) U/l, Gamma-GT 266 (165) U/l. GOT 14 U/l, GPT 18 U/l, LDH 151 U/l, Bilirubin

0,4 mg/dl. Elektrophorese: Gesamt-Eiweiß 67 g/l, Albumin 34,0 g/l, Alpha 1 3,8 g/l, Alpha 2 9,0 g/l, Beta

10,3 g/l, Gamma 10,0 g/l (Gesamt-Eiweiß 79 g/l, Albumin 41,9 g/l, Alpha 1 4,3 g/l, Alpha 2 8,0 g/l, Beta

11,7 g/l,Gamma13,2 g/l. BZ mitWerten zwischen 84 und 181 (11Uhr)mg/dl, unter Vollkost grenzwertig,

Glucose-Belastung mit 289 mg/dl Einstundenwert pathologisch, Schilddrüsen-Parameter: TBG 18,8 ` g/

ml, T3 139 ng/100 ml, T4 9,1 ` g/100 ml, TSH basal 3,5 ` U/ml, nach Stimulation 13,8 ` U/ml. Urinstatus:

anfangs Leukozyten positiv, Protein positiv, Keton positiv, Urobilinogen positiv, Bilirubin zweifach

positiv, Erythrozyten positiv (Protein einfach positiv, sonst unauffällig).

Perchlorethylen 0,18 ` g/dl, Trichlorethylen, Tetrachlorkohlenstoff negativ.

Digitoxin-Spiegel bei Aufnahme 21,5 ` g/ml.

Urinkultur: anfangs 103 Keime/ml coliformer Keim, vor Entlassung 4000 Keime/ml Staphylococcus

epidermidis.

Sputumkultur: physiologische Flora und Hefen, wiederholte Blutkulturen negativ.

Serologie: Legionellen, Mykoplasmen negativ.

Die übrigen routinemäßig erhobenen Laborparameter Harnstoff, Harnsäure, HBDH, CK, Alpha-

Amylase, Lipase, Natrium, Kalium, Calcium, Chlorid, Cholesterin, Triglyceride, saure Phosphatase,

Prostata-Phosphatase sowie Stuhl auf Blut unauffällig.

EKG:

Absolute Arrhythmie bei Vorhofflimmern, Frequenz 70 bis 85/min, Steiltyp, keine VES, keine deutlichen

Hypertrophiezeichen, deszendierende ST-Strecke mit präterminal negativem T in II, III, aVF, Nehb D und

A sowie V4 bis V6, präterminal negatives T in Nehb J, ERBS als Ausdruck eines Innenschichtschadens.

Echokardiographie:

Mäßige Aorteninsuffizienz nach implantierter Bioklappe ca. 1985, Klappen und Klappenring erscheinen

unauffällig. Normal bis leicht vergrößerter, gut kontrahierender linker Ventrikel, mäßig dilatierter linker

Vorhof, Mitralinsuffizienz, verdicktes vorderes Mitralsegel, Vegetation möglich, normal großes rechtes

Herz, leichte Trikuspidal- und Pulmonalinsuffizienz. Kein Perikarderguss.

Verlaufskontrolle:

Grenzwertig bis leicht dilatierter linker Ventrikel mit global guter Kontraktilität, keine linksventrikuläre

Hypertrophie, Mitralklappe mit verdicktem Klappenrand des vorderen Segels bei sonst guter Beweglichkeit,

leichte Mitralregurgitation, hämodynamisch nicht relevante Verkleinerung der Mitralöffnungsfläche,

linker Vorhof leicht vergrößert, Vegetationen auf dem vorderen Segel sind nicht auszuschließen.

Aortenklappe nicht gut darstellbar, aber wohl mit ausreichender Separation. Keine Stenose. Leichte

Regurgitation über der Aortenklappe, die evtl. etwas über „klappenassoziiert“ hinausgeht. Insgesamt

jedoch kein sicherer Hinweis für Klappendysfunktion. Keine größeren Vegetationen nachweisbar. Keine

sichere Änderung zum Vorbefund insgesamt. Genaue Einschätzung der verdicktenMitralklappe in Bezug

auf Vegetationen mit ösophagialem Echo möglich.

Röntgen-Thorax:

Infiltrate im rechten anterioren Oberlappensegment, beide Hili sind verdichtet bei vermehrt schattendichten,

etwas verbreiterten Pulmonalarterien. Eine hiläre Raumforderung lässt sich nicht erkennen. In

Verlaufskontrollen Befundbesserung der Infiltrate, als Restbefund eine ausgedehnte Pleuraschwiele mit

Hineinziehung in den kleinen Lappenspalt, sowie zarte intrapulmonale Indurationen.

Nativ-CT Schädel:

Geringfügige supratentorielle kortikale Hirnatrophie, der Befund ist m.E. nicht als pathologisch zu

erachten. Verdacht auf winzige malazische Dichteminderung im rechten Linsenkern. Verkalkung der

unteren hinteren Kleinhirnarterien.Der Befund ist insofern etwas ungewöhnlich, als keine Verkalkung der

Karotiden im Siphonbereich vorliegt.

Sonographie:

Leber 20 cm in MCL, homogen verdichtetes Binnenreflexmuster, dorsale Schallabschwächung, keine

umschriebenen Raumforderungen. Pankreas nur in Teilen einsehbar, hier schollig leicht verdichtet, keine

umschriebenen Raumforderungen. Milz etwas verplumpt, nicht vergrößert. Nieren normal groß, ausreichend

breites Parenchym, Pyelonreflex geschlossen, keine umschriebenen Raumforderungen.

Beurteilung:

Hepatomegalie mitHepatopathie. Unauffälliges Sonogramm vonGallenblase, Gallenwegen, einsehbarem

Pankreas, einsehbarer Paraaortalregion, Nieren, Milz. Kein Aszites, kein Perikarderguss.

Histologie Leberpunktat:

Es handelt sich um eine vorwiegend grobtropfige Leberparenchymverfettung, die etwa 20 % des eingesandten

Materials einnimmt. Außerdem kommen noch einzelne Zellnekrosen vor, hier auch leichte

Vermehrung des Mesenchyms, die durchaus einer leichten toxischen Leberschädigung entsprechen

können. Das Bild einer Hepatitis liegt nicht vor. Für Zirrhose oder Malignität kein Anhalt.

Therapie und Verlauf:

Herr F. kommt, bei Zustand nach Aortenbioklappenersatz 1985, nunmehr zur Aufnahme mit Fieber,

Gelenkschmerzen, allgemeiner Abgeschlagenheit, ambulant war bereits mit Amoxicillin vorbehandelt

worden. Klinisch zeigt sich eine Pleuritis rechtsbasal, röntgenologisch findet sich ein Infiltrat des rechtsanterioren

Oberlappensegments. Bei Aufnahme beträgt die Temperatur 38,2, es wird die Behandlung mit

Amoxypen fortgesetzt, darunter ist das Fieber zunächst rückläufig, um dann wiederum anzusteigen. Es

wird, auch im Hinblick auf die echokardiographisch gefundenen fraglichen Vegetationen an der Mitralklappe,

mit Claforan sowie zwischenzeitlich Refobacin weiterbehandelt, darunter vollständige Rückbildung

der erhöhten Temperatur. Auch röntgenologisch hat sich das Infiltrat deutlich zurückgebildet.

Weiterhin besteht eine deutlich erhöhte BSG sowie ein schmerzhaftes Pleurareiben rechts,welches sich sehr

zögernd zurückbildet. Bezüglich der weiterhin nicht sicher ausgeschlossenen Möglichkeit einer Endokarditis

schlugen wir bereits im vorläufigen Entlassungsbericht vor, den Patienten zunächst weiterhin ambulant

zu überwachen, und ihn bei evtl. auftretender Verschlechterung bzw. zur Kontrolluntersuchung in

6Wochen wiederum einzuweisen.

Bezüglich der 1985 eingesetzten Bioklappe ergab sich kein deutlicher Hinweis auf Klappendysfunktion.

Da bei dem Patienten eine allerdings sehr diskret ausgeprägte Wortfindungsstörung aufgefallen war,

wurde eine ausführliche Nachanamnese durchgeführt. Diese ergab Hinweise auf eine chronische Exposition

mit Perchlorethylen. Nach Rücksprache mit Dr. Daunderer, München, ist ein Zusammenhang

zwischen dieser Exposition u. der gefundenen diskreten neurologischen Symptomatik sowie dem deutlichen

Leberparenchymschaden als wahrscheinlich anzusehen. Eine entsprechende Meldung bei der Berufsgenossenschaft

wird von uns veranlasst, eine weitere neurologische Durchuntersuchung mit Bestimmung

von Nervenleitgeschwindigkeit und evozierten Potenzialen sollte u.E. durch die Berufsgenossenschaft im

Rahmen eines gutachterlichen Verfahrens durchgeführt werden. Der gefundene Wert von 0,18 ` g/dl

Perchlorethylen ist insofern überraschend, als die Blutabnahme erst 10 Tage nach Krankenhausaufnahme

durchgeführt wurde und die letzte vom Patienten angegebene Exposition etwa 2 Monate zurücklag. Bei

akuten Expositionen ist Perchlorethylen allgemein nur kurzzeitig im Blut nachweisbar.

Abschließend möchten wir noch auf den pathologischen Glucose-Toleranztest hinweisen. Da die BZ Tagesprofile

unter Vollkost doch grenzwertig waren, scheint uns längerfristig eine Einstellung auf eine

entsprechende Diät erforderlich zu sein.

Unsere letzte Therapie:

Digimerckminor 1×1 Tbl.

DytideH 1×1 Tbl.

Isoptin 40 3×1 Tbl.

Aspirin junior 1×1 Tbl.

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