1972
Leukämie durch PCP im Bauernhof
Deprimiert erzählte uns ein
Doktorand von Prof. Begemann, dem weltbekannten Autor des riesigen Lehrbuchs
der Hämatologie und meinem neuen Chefarzt im Krankenhaus München-Schwabing,
dass seine Arbeit gescheitert sei. Er sollte erforschen, warum plötzlich fast
jede Woche ein junges Bauernmädchen mit einer frischen Leukämie bei uns
eingewiesen wurde. Das klinische Bild und der Knochenmarksbefund waren
plötzlich sehr ähnlich und meist hoffnungslos. Viele verstarben sehr, sehr
schnell. Es war eine fürchterliche Tragik. Prof. B. vermutete als Ursache einen
tierischen Virus, da er einmal gefunden wurde, obwohl das ganze Immunsystem am
Boden lag.
Ich erinnerte mich an Prof. Lewin:
-
jede unbekannte Krankheitsursache ist eine Vergiftung
-
Krebs wird immer durch chronische Gifte verursacht
-
Blutkrebs wird durch Lösemittel verursacht.
Daher fragte ich die
nächsten Patientinnen auf meiner Leukämie Station nach Lösemitteln. Überraschenderweise
wurden bei ausnahmslos allen etwa ein Jahr vorher der Kuhstall mit Xyladecor von Bayer/Desowag gestrichen. Daraufhin
schrieb ich die Firma Bayer an und erhielt ein Buch über Pflanzenschutzmittel
von ihrem wissenschaftlichen Leiter, Prof. Klimmer mit den Maßnahmen zur Ersten
Hilfe. Darin stand bei PCP=
Pentachlorphenol, dass dies extrem giftig sei, nur mit Atemschutz und die
gesamte Haut schützender Kleidung verarbeitet werden dürfe usw. Jeder
niedergelassene Arzt hatte dieses Buch vorher kostenlos erhalten. Xyladecor,
das als unreines technisches Abfallprodukt neben PCP auch Lindan, ein ebenso giftiges
Pestizid enthielt, war als technisches Produkt auch mit dem krebserzeugenden
Ultragift Dioxin verseucht (Sevesogift). Niemals hätte dies in Innenräumen
verstrichen werden dürfen, niemals in Kinderzimmern oder Schlafzimmern, niemals
in Kuhställen und damit Ursache der Vergiftung der Milch für Kleinkinder.
Dies berichtete ich sofort
meinem Chef, Prof. Begemann. Darauf erlitt ich erstmals die Aggressionen, die
man erfährt, wenn man Vergifter bloßstellt:
Ich fuhr viel im neuen
Notarztwagen und diskutierte die Frage mit vielen Chefärzten und Assistenten.
Hier erlebte ich eine unglaubliche Zwiespältigkeit:
7. diejenigen, die mehr Theoretiker waren,
warnten mich sehr, „so ein heißes Eisen anzupacken“ und lieber still meinen
Dienst zu verrichten. Letztere waren dann etwa 90 % der Assistenzärzte und 100
% der Chefs.
8.Als
im Stern, den ich heimlich informiert hatte (Reporterin Spill) eine detaillierte
Beschreibung stand, wendete sich langsam das Bild, „der Überbringer die
Hiobsbotschaft“ war plötzlich ein anderer.
9.Jetzt
redete Begemann plötzlich wieder mit mir, wich dem Thema jedoch strikt aus,
bezeichnete mich plötzlich bei ausländischen Besuchern „als bestes Pferd im
Stall“ und wies mich an, „alle Betten meiner Station mit Drogenentzügen zu
belegen“. Dies lehnte ich zwar ab (“nicht mehr als zwei- wie bisher“) und
ertrug den beißenden Kommentar „dann sind sie halt in ihrem Fach unfähig“.
10.Der
erste Oberarzt Keller meinte zuletzt, entweder müsse ich an die Uni wechseln
(was ich sofort tat) oder mich niederlassen (was ich fünf Jahre später machte)
aber in einem Städtischen Krankenhaus könne man nicht so viele Aktivitäten
neben der Krankenversorgung ausüben.
Da
ich das Totschweigen satt hatte, stellte ich eine Strafanzeige gegen die Giftproduzenten. Diese blieb zwar fünf (!)
Jahre unbearbeitet liegen, aber ein Wochenende vor der Verjährung rief mich der
neue Staatsanwalt Schöndorf an und ich schrieb ihm übers Wochenende eine Kopie
des Gutachtens, das ich für meinen jüngsten Fall, den kurz darauf verstorbenen
Nachbarn geschrieben hatte, der nach Streichen seines Neubaues mit Xyladecor
eine aplastische Leukämie bekommen hatte.
Hier
erlebte ich noch mal die Ignoranz meiner Hämatologen, als sie eine
Knochenmarkstransplantation von der Verwandten durchführten, die mit das
Xyladecor verstrichen hatte (und hohe PCP Werte im Blut hatte).
Das
Buch von Klimmer war letztlich der Ausschlag für die Verurteilung der Täter.
Eine Revision kam nie zustande.
11.
Alle deutschen Arbeitsmediziner hatten die Grenzwerte des krebserzeugenden PCP
im Blut auf 1000 µg/kg angesetzt und damit alle Beschwerden als „psychisch
bedingt“ abgewiegelt. Selbst Todesfälle wurden nicht anerkannt.
12.
Im Strafprozess gegen die beiden Hauptverantwortlichen der Hersteller
argumentierten die Verteidiger in dem Leukämie-Fall einer 16jährigen Tochter
eines Lehrers, der Xyladecor verstrichen hatte, „dass es in der Weltliteratur
keinen einzigen Leukämiefall durch Xyladecor gäbe“. Da erst wusste ich, warum
meine Vorgesetzten emsig die über 100 eigenen Fälle verheimlicht hatten.
Dieser Fall eröffnete dem Dümmsten die
Strategie, wie der „gute“ Deutsche mit Vergiftern umzugehen hat. um gut bei
Kasse zu bleiben.
Kein
Hämatologe fragt heute bei Leukämie nach einer Lösemittelexposition- alles ist
vergessen!
Mit
zahlreichen anderen Giften – zuletzt beim Amalgam – erlebte ich immer wieder
die gleiche Strategie der
-
Verbrüderung mit dem Täter und das „Nicht
wahr haben wollen“, dass
-
Symptome eine – meist leicht vermeidbare
Vergiftungsursache haben.
Dies als Musterbeispiel für
hunderte Vergiftungsentdeckungen.
(Auszug aus meiner neuen Biografie)