1966 Ideen lösen Probleme

1950 saß meiner Mutter, die Kinderärztin mit eigener Praxis viele Nächte an meinem Bett als ich  7- jährig schwerkrank mit rheumatischem Fieber mit dem Tod rang. Alle großen Gelenke waren schmerzhaft geschwollen, taten höllisch weh und das Herz drohte zu versagen. Es kamen alle damaligen Kapazitäten ans Krankenbett und jeder hatte Tipps, das Sulfonamid half nichts mehr. Erst eine amerikanische Penicillinspritze brachte den Durchbruch. Nach 9 Monaten war die Krankheit überwunden. Prof. Romano Guardini, unser neuer Nachbar machte mir Mut und verströmte Kraft gegen die Krankheit. Auch er litt unter vielen Krankheiten bei denen Ihm die Ärzte nicht halfen.

Zurück blieb eine Herzschädigung, die lebenslang Sport und Anstrengungen verbat. Zurück blieb der Wunsch, möglichst vielen Menschen das zurück zu geben, was andere mir geschenkt hatten: Liebe und Hilfe in schwerer Not. Es war klar, dass man es nur als Mediziner erreichen konnte.

In der Grundschule entstand daher bald mein Spitznahm „Krankenschwester“. Jeder Mitschüler konnte jederzeit mit allen Problemen kommen. Zuhause diskutierte ich es mit Vater, dem Psychosomatiker (gelernt hatte er Chirurgie, Allgemeinarzt war seine Berufsausübung) und der Mutter, die stets die sozialen Probleme der Kranken im Vordergrund sah. „Ideen lösen Probleme“ war ihr Leitmotiv.

Mitschüler, ihre Eltern und zuletzt auch viele Eltern waren begeistert über die „Kindliche Beartungsstelle“. Biologielehrer, Religionslehrer und Kunstlehrer förderten diese Aktivitäten und stellten mich von ungeliebten Tätigkeiten frei und zensierten gutmütig.

Viele schwere Krankheiten wie eine lebensbedrohliche, die 3. Diphtherie im 12. Lebensjahr verstärkten die Dankbarkeit gegenüber der Schulmedizin.

Wiederum verstärkt war der Wunsch, anderen auch so helfen zu können, wie es mir geschah.

Während einer schweren infektiösen Gelbsucht im 17. Lebensjahr  führte ich eine Ahnenforschung bis zurück ins 16. Jahrhundert durch und bewunderte den Urahn

Dr. Georg Koch, der als Leibarzt des bayrischen Königs Ludwig I und Chefarzt der heutigen Universitätsklinik in München nebenher unbezahlt das Armenkrankenhaus „Leprosenheim am Nicolaiplatz“ leitete, das heutige Schwabinger Krankenhaus.

Das Gemälde seines Urahnen Dr. Koch hing stets als Vorbild über meinem Bett. Nicht hochnäsig im weißen Kittel, sondern gutmütig im schwarzen Gehrock erinnert es an den Mann, der die Reichen zur Ader ließ und den armen seine gesamte Freizeit opferte.

Bei der Abiturfeier schworen sich alle Mitschüler lebenslang gegenseitige Hilfe, besonders im Hinblick auf psychische und gesundheitliche Probleme,  zu meistern durch mich. Die späteren Mathematiker, Lehrer und  Physiker wussten von der Einseitigkeit der Hilfe.

Das Medizinstudium war geprägt durch laufende miserabel  bezahlte nächtliche Sitzwachen bei Sterbenden. Viele aufmunternde Gespräche mit den Sterbenden erinnerten mich an die Kraft, die ich durch den Priester Romano Guardini erhalten hatte.

Nachdem ein Mitschüler bei Chemieexperimenten zur Entwicklung eines brisanten Raketentreibstoffs lebensbedrohlich verletzt wurde und die allgemeine Unwissenheit über die Schädlichkeit von Chemikalien bei Medizinern offenkundig wurde, erklärte meine Mutter, dass die klinische Toxikologie die „Diaspora der Medizin“ sei. Die Mutter hatte als junge Ärztin kurz dort gearbeitet und „Mägen gespült“.

Dies war der Funken zum Studium der „Klinischen Toxikologie“.