1971 Hilfe mein Kind hat Gift verschluckt
Seit Ende 1971 war
meine private Telefonnummer in der Aufnahmestation des Krankenhauses
München-Schwabing und im Notarztwagen angebracht, damit alle Kollegen rund um
die Uhr vor Ort sofort unbürokratisch eine Auskunft im Vergiftungsfall
erhalten. Es wurde davon rege Gebrauch gemacht. Die dadurch reichhaltigen
Erfahrungen führten zu einer Giftkartei. Da sie erstmalig in der Welt die
neuesten Erkenntnisse der Schocktherapie und Intensivmedizin enthielten,
interessierten sich viele Chefärzte und Anästhesisten in ganz Deutschland dafür
- ein Umstand, der meine jeweiligen Chefs zwar sehr stolz aber auch sehr
eifersüchtig machte. Da jeder in den Besitz dieser Kartei kommen wollte, bekam
ich viele Stellenangebote, bis nach Hamburg.
Die offizielle Kartei
der Giftnotrufzentren war über 20 Jahre alt und völlig überholt, jeder zweite
Satz bestand in "keine Erfahrungen beim Menschen". Dies war der
Anlass, dass Prof. Begemann, der Leiter der Mammutklinik mit 3.000 Betten mich
dann bat, diese Kartei in Tabellenform als Beilage in der "Medizinischen
Klinik", einer Monatszeitschrift, zu veröffentlichen. Das fertige Werk
wurde ein Jahr später, 1972, als Taschenbuch herausgegeben und war dann das
erfolgreichste Taschenbuch der gesamten Medizin.
Seit 1976 führte ich
den Giftnotruf rund um die Uhr als Leitender Oberarzt des Giftnotrufes der
Toxikologischen Abteilung der Technischen Universität am Klinikum rechts der
Isar mit einem Piepser der Berufsfeuerwehr München fort. Viele Chefärzte hatten
trotzdem immer noch meine private Telefonnummer in ihrem Notizbuch. Über 150
Hubschrauberflüge, meist mit SAR der Bundeswehr, zur Übernahme der schwersten
Vergiftungsfälle in Bayern waren die Folge. Einmal wurden 5 schwerste, spät
erkannte Knollenblätterpilz-Vergiftete und einmal ein Pärchen (Mädel 16, Junge
18) mit schwerster E605-Vergiftung nach erfolgreicher Wiederbelebung
eingeflogen. Der spektakulärste Giftnotrufeinsatz war nach Saudi-Arabien ins
Königshaus. Dort wurde angeregt, dass ich alleine den Giftnotruf für die
gesamte Welt übernehme.
Deren
größenwahnsinnige Projekte zerschlug jedoch die Politik, der ein
Ungleichgewicht in Arabien verhindern wollte. Ich war für sein Eingreifen sehr
dankbar, denn mittlerweile hatte sich ein unendliches Heer von Geldgierigen in
das Projekt eingeschlichen.
Am TOX CENTER in
München wurde der kostenlose Giftnotruf still weitergeführt. Ein absoluter
Höhepunkt war nach dem Unfall in Tschernobyl mit über 2.000 Anfragen und Anfang
der 90er Jahre mit einem vielfachen davon um die Amalgamgefahren. Nach der
Pensionierung standen die Vergiftungen bei Säuglingen und Kleinkindern neben
den Allergien auf Gold nach Amalgam und den Wohngiften im Vordergrund.
Einmalig in der Welt
war unser Service: Ohne Fragen nach dem Anrufer wurden wie aus der Pistole
geschossen ohne jegliches Nachschlagen zu jeder denkbaren Vergiftungsursache
(30 Mio. bekannt) sofort die Gefahren, mögliche Folgen, Nachweis, Erste-Hilfe und Kontaktadresse des dafür nächsten und Erfahrensten genannt. Rückrufe waren jederzeit möglich
durch die gespeicherte Ruferkennung im ISDN-Telefon. Für die gesamten Kosten
kam ich stets selbst auf. Nie hat irgendjemand dafür etwas gespendet, obwohl
der Verein gemeinnützig ist.
(Auszug aus meiner neuen Biografie)