Heizkörperuhr-Flüssigkeiten

 

Röhrchen mit Verdunstungsflüssigkeit liefern in Mietwohnungen und Mieträumen die Daten für die Heizkostenabrechnung. Der Großteil der Röhrchen ist mit der Chemikalie Methylbenzoat gefüllt; aber auch Cyclohexanol oder Phenetol kommen zum Einsatz. Vertreiber und Anwender dieser chemisch-physikalischen Meßmethode betonen seit Jahren die absolute Ungefährlichkeit der verdunsteten Chemikalie. Nach der Verordnung über gefährliche Arbeitsstoffe sind die bisher verwendeten Chemikalien als „gesundheitsschädlich" zu kennzeichnen. Pressemeldungen nach wird zur Zeit in Amerika geprüft, ob Dämpfe dieser Chemikalien Krebs erzeugen können.


Methylbenzoat

Beschaffenheit:

Methylbenzoat (Benzoesäuremethylester) ist eine farblose Flüssigkeit mit einem Schmelzpunkt von —12° C und einem Siedepunkt von 199,6° C.

Vorkommen:

Methylbenzoat ist ein aromatischer Ester, der sowohl in der Natur (u. a. im Tuberoseöl, Ylang-Ylangöl, Nelkenöl) vorkommt, als auch synthetisch hergestellt wird. Jährlich werden weit über 10000t dieses Stoffes verarbeitet. Aufgrund seines blumigen Geruches und des etwas würzigen Geschmackes wird Methylbenzoat oft und gern in Parfümkompositionen, Seifenparfümierungen, blumigen Basen und Geschmackskompositionen (für z. B. die Imitation von Erdbeere) eingesetzt. Dieser Stoff findet auch industriell Anwendung, u. a. in der Mikroskopie, beim Färben von Polyesterfasern und, unter Ausnutzung der geringen Flüchtigkeit, in den Ampullen der Heizkostenverteiler als Verdunsterflüssigkeit. Methylbenzoat ist nach der BRD-Aromenverordnung ein naturidentischer Aromastoff, d.h. sein Einsatz in Lebensmitteln ist zugelassen.

Auch in den USA wird dieser Stoff nach den geltenden rechtlichen Vorschriften der FDA (Food and Drug Administration) und der FEMA (Flavor and Extract Manufacturer Association) als Armoastoff zugelassen und als sicher beurteilt.

Toxizität:

Die orale Dosis, die notwendig ist, um bei der Hälfte der Versuchstiere den Tod eintreten zu lassen (LD50), liegt bei verschiedenen Tierspezies zwischen 1350 und 4100 mg/kg Körpergewicht.

Wirkungscharakter:

Im direkten und wiederholten Kontakt mit der Haut bzw. Schleimhaut bewirkt unverdünntes Methylbenzoat Reizungen bzw. Schleimhautschäden. Die Aufnahme durch die Haut erfolgt langsam. Eine krebserzeugende Wirkung ist nicht belegt. Chronische Belastungen durch Methylbenzoat (ca. 290 mg/ kg Körpergewicht pro Tag über einen Zeitraum von 60 Tagen) ergaben im Tierversuch eine Vergrößerung der Nierenmasse. Für Methylbenzoat wurde bisher keine maximale Arbeitsplatzkonzentration (MAK-Wert) erstellt. Gemessen an den Anforderungen des Gesetzes zum Schutz vor gefährlichen Stoffen (Chemikaliengesetz) vom 16. September 1980 (BGB1 I S. 1718) in Verbindung mit der Verordnung über die Gefährlichkeitsmerkmale von Stoffen und Zubereitungen nach dem Chemikaliengesetz (Gefährlichkeitsmerkmaleverordnung) vom 18. Dezember 1981 (BGB1 I S. 1487) ist Methylbenzoat als mindergiftig einzustufen.

Symptome:

Augenbrennen, Benommenheit, Kopfschmerzen. Schlaflosigkeit. Im körperlichen Wohlbefinden erheblich beeinträchtigt.

Die inhalative Aufnahme hatte nach den vorliegenden Untersuchungen keine nachweisbaren organischen Veränderungen und keine allergischen Reaktionen ergeben. Bei direktem Kontakt mit der unverdünnten Flüssigkeit würden Reizungen und Schleimhautschädigungen bewirkt, krebserzeugende Wirkungen seien nicht belegt.

Therapie:

Sollte Methylbenzoat aus einem Meßröhrchen, auf die Haut gelangen, wird empfohlen, die Substanz durch intensives Waschen (PEG-4OO) zu entfernen. Kinder sollten grundsätzlich nicht mit Chemikalien in Berührung kommen. Bei Verschlucken von Chemlkalien sollten Kinder Medizinalkohle schlucken und Kontrollen der Leber- und Nierenwerte nach einem und zehn Tagen (Spätkontrolle) durchgeführt werden. Bei Erregung und Kopfschmerzen neurologische Untersuchung und EEG-KontroIlen.

 

Cyclohexanol

Beschaffenheit:

Cyclohexanol ist eine farblose, ölige, schwerflüchtige Flüssigkeit mit einem Schmelzpunkt 24° C und einem Siedepunkt von 160° C.
Vorkommen:

In Röhrchen mit Verdunsterflüssigkeit, die in Mietwohnungen und Mieträumen die Daten für die Heizkostenabrechnung liefern.

Toxizität:

Cyclohexanol ist eine Substanz von geringer Giftigkeit bei akut oraler, inhalativer oder perkutanter Aufnahme. Die geringste referierte toxische Konzentration für den Menschen liegt bei 75ppm. Die orale LD50 bei der Ratte beträgt 2960mg/kg Körpergewicht.

Wirkungscharakter:

Die Inhalation von konzentriertem Cyclohexanoldampf bis zu acht Stunden hatte bei Ratten keine Letalität zur Folge. Über den Metabolismus von Cyclohexanol liegen Versuche mit radioaktiv markiertem Material vor, aus denen u. a. geschlossen werden kann, daß eine Speicherung im Organismus nicht stattfindet. Eine kumulativ toxische Wirkung geringer Cyclohexanoldosen ist somit ausgeschlossen. Die maximale Arbeitsplatzkonzentration wurde auf 50ppm (200 mg/cm3) festgesetzt. Die Geruchsschwelle wird wegen des kampferartigen Geruches bei 0,05ppm angegeben. In der Verordnung über gefährliche Arbeitsstoffe (Arbeitsstoff-Verordnung) in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. Februar 1982 (BGB1 I S. 144) ist Cyclohexanol als mindergiftig eingestuft.

Symptome:

Nach chronischer Inhalation hoher Dosen (145-229 ppm bzw. 580-916 mg/m³ Luft) wurden Hirn-, Herz-, Leber- und Nierenveränderungen beim Kaninchen beobachtet sowie narkoseähnliche Auswirkungen auf das zentrale Nervensystem (Lethargie, Krämpfe, u. U. auch Tod). Im Kontakt mit Augen oder Schleimhäuten bewirkt Cyclohexanol Reizungen mittleren Grades. Auch Augenreizungen (Tränenfluß) sind eine häufige Folge unmittelbarer Kontakte. Die Substanz diffundiert durch die intakte Haut. Im Tierversuch erzielten dabei einzelne hohe Dosen Tremor, Depression des zentralen Nervensystems, Hypothermie und Tod. Krebserzeugende Eigenschaften sind nicht bekannt.


Phenetol

Beschaffenheit:

Phenetol ist eine farblose, kaum wasserlösliche     Flüssigkeit     mit     einem Schmelzpunkt von -30° C und einem Siedepunkt von 172° C.
Vorkommen:

In Röhrchen mit Verdunsterflüssigkeit, die in Mietwohnungen und Mieträumen die Daten für die Heizkostenabrechnung liefern.

Phenetol ist toxikologisch bedeutungslos. Die orale LD 50 liegt bei den verschiedenen Tierspezies zwischen 500 und 5000 mg/kg Körpergewicht. 3 g/kg Körpergewicht oral hatten beim Meerschweinchen keine Todesfälle zur Folge.

Wirkungscharakter: Da die mittleren Raumluftkonzentrationen der hier angegebenen Verdunstungsflüssigkeiten bei bestimmungsgemäßem Gebrauch nach den vom Institut für Wasser-, Boden- und Lufthygiene des Bundesgesundheitsamtes durchgeführten Modellberechnungen im Bereich von 0,01 mg/m³ liegen, ist eine Gefährdung der Gesundheit durch die angeführten Substanzen nicht vorstellbar.
Symptome:

Beim     massiven     Einatmen     reiner Dämpfe von Phenetol kann eine narkotische Wirkung auftreten.
Therapie:

In Extremfällen beatmen, Schockprophylaxe.

Karzinogenese

Alle drei Stoffe sind weder krebserzeugende Arbeitsstoffe nach Anhang II Nr. 1.1.1 der Arbeitsstoff-Verordnung noch Stoffe mit begründetem Verdacht auf krebserzeugendes Potential nach Abschnitt III. B der MAK-Wert-Liste. Ihre orale Giftigkeit kann mit der von Kochsalz verglichen werden (LD 50 bei Ratten 3.0 g/kg Körpergewicht). Aufnahme bzw. Kontamination mit dem gesamten Inhalt eines Meßröhrchens (ca. 2 ml) können passageres Unwohlsein bzw. Reizerscheinungen an dem betroffenen Hautbezirk verursachen. Augen und Schleimhäute können u. U. stärker beschädigt werden.

Dr. M. Daunderer
Forum des Praktischen und Allgemei-Arztes 27 (1988) Nr.9