Essen ist Ramschware geworden 80 Prozent billiger
Tiere, Pflanzen, Lebensmittel sind auf den Wühltischen der Globalisierung gelandet, und es soll niemand glauben, das sei immer so gewesen. In den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts, und das ist bei Licht betrachtet gar nicht so lange her, mussten die deutschen Haushalte glatt die Hälfte ihres Einkommens fürs Essen ausgeben, diese Kennzahl ist in Deutschland geschrumpft auf 11 Prozent und weniger, dahinter steckt eine ungeheuerliche Umschichtung.
Man kann sagen, wir sparen uns die iPods und die DVD-Player, die Rollerblades und die Autos buchstäblich vom Munde ab. Essen muss billig sein - damit es unseren sonstigen Konsumgewohnheiten nicht störend in die Quere kommt, es hat sich einzufügen in einen "Way of Life", der uns vorschreibt, dass originelle Klingeltöne fürs Handy wichtiger sind als die Qualität von Butter oder Brot, und das ist, finde ich, ein starkes Stück.
Wer deshalb ständig darüber klagt, dass er kein Geld fürs bessere Essen hat, der schweigt in der Regel davon, wofür er sein Geld wirklich ausgibt. Wir, das heißt: die allermeisten von uns, leben nicht wirklich in einer Welt des Mangels, sondern in einer Welt absurd veränderter Prioritäten. Ich kenne Leute, die sich tagein, tagaus von Leberwurstbroten ernähren, damit sie die Leasing-Raten fürs Auto abbezahlen können. Ich kenne Leute, die sich für Fernreisen und sinnlose Elektrogeräte auf Jahre hinaus verschulden, aber fürs Essen jeden Cent nur mit größtem Widerwillen ausgeben. Sind das vernünftige Prioritäten? SPIEGEL ONLINE - 20. Juli 2007