1981 Drogenentzug in der Praxis

Mit Beginn meiner Kassenarztpraxis wurde der ambulante Drogenentzug institutionalisiert:

  1. Vorgespräch mit Abklärung des Drogentyps. Dies war jederzeit ohne Anmeldung möglich. Im Warzezimmer wurde ein Anamnesebogen ausgefüllt mit

-          Art der Drogen

-          Wohnung, Beruf, Arbeitsplatz, Partner

-          Polizeiauflagen (Führerschein), Motivation

-          Wunsch zum Entzug

  1. Urinabnahme, Alkoholtest durch die Helferin, Schnelltest af Alkohol, Morphin, Benzos, Cocain, Heroin.
  2. Entgiftung:

-          Alkohol – Physostigminspritze in Po

-          Benzodiazepine – Physostigminspritze in Po

-          Cocain – Physostigminspritze in Po

-          Heroin, Morphium – Naltrexone ¼ Tbl. Sofort schlucken

3a. Entgiftungshilfe: alle bekamen 6 Tbl. Apronal 50mg (= Doxepin) mit, mit schriftlicher Aufforderung möglichst ungebraucht wieder zurück zu geben.

  1. Entwöhnung nachweislich Entgifteter

Alkohol: nach selbst verfasster Bescheinigung „aufgeklärt über die mögliche Todesgefahr bei Rückfall unter dem Gegenspieler“ enthielt jeder einen Teelöffel voll Pulver (eröffnete Kapsel oder zerstoßene Tablette) eines Acetaldehydsymptomauslösers (ACA) wie Antabus (Nitrefazol) zum Schlucken, nachtrinken eines vollen Glas Wassers (verhindert Backentaschendeponierung), Wiederholung jede Woche nach negativem Alkoholtest.

Heroin, Morphin: nach negativem Urintest mit EMIT ST: 1 Tbl. Naltrexon (wie oben) schlucken.

Benzodiazepine:alle drei Tage eine Kapsel (aus unserer Apotheke) mit 5mg Physostigminsalicylat zum Schlucken.

  1. Gruppentherapie: Alle 30-50 Drogenabhängigen mit Bezugsperson holten sich einen Stuhl, saßen am Boden oder auf Liegen.

a)     Autogenes Training: Zunächst wurde gemeinsam eine Grundübung gemacht (20 Min)

b)     Gesprächstherapie: Beginn mit Namen, ihren Fragen, Antworten aus der Gruppe, Bericht von Alten, Erfolgreichen. Viele erzählten von sich. Ich berichtete jeweils über neueste Literatur und von Tipps erfolgreicher Patienten.

Nach etwa 2 Std. gingen alle heim.

  1. Rückfall:

Bei Rückfall wurde ohne viele Worte das Programm Nr.3 Entgiftung erneut eingeschoben.

  1. Bezahlung:

Die gesamte Therapie zahlte ausnahmslos jede Krankenkasse voll (unter pauschaler Kürzung von 40% nach, nach über 20 Einsprüchen und Gang vor das Sozialgericht unterlagen Sie voll und zahlten – nach meiner Kassenniederlegung 1991 – viele Tausende nach.

Privatpatienten erhielten eine Rechnung über die Folgen ohne den Giftnamen. Trotzdem erhielten sie die Kosten fast nie erstattet. Rechtsanwälte und Richter zahlten nie den Alkoholentzug. Beim Praxisende schenkte ich meinem Anwalt rechtsgültige Mahnbescheide über 80.000 Danke. Max von Alkoholikern, die nicht bezahlt hatten.

  1. Komplikationen:

Laufend gab es Komplikationen. Einmal musste ich zu einem Notarzt-Einsatz weg, ich sagte die Sitzung ab. Ein Patient forderte von der Hilfe energisch das Pulver, behauptete schon den Alkoholtest gemacht zu haben. Sie bestand jedoch auf „Wiederholung“, da er eine Fahne hatte. Er hatte 3,5 Promille und behauptete, dass er „sterben wollte“. Das ACA-Pulver wäre sicher tödlich gewesen. Fixer behaupteten oft „clean“ zu sein, hatten jedoch gerade einen Rückfall. Aber so lernten wir, wie heilsam ein Morphiumantagonist einen schnellen Entzug meistert.

Ein Arbeitskollege wurde von meinem Patienten im Rückfall mit dem Hammer erschlagen. Die Kripo kam zu mir zur Hausdurchsuchung während der Sprechstunde wegen „strafbarem ambulanten Entzug eines Schwerkranken“. Zufällig hatte ich ihn vorher dem Gesundheitsamt gemeldet, da er unentschuldigt fernblieb und komische Äußerungen gemacht hatte. Enttäuscht zog die Kripo mit dieser Kopie wieder ab.

Einmal behauptete ein Alkoholiker mit 4,5 ‰ beim Erstgespräch, er sei niemals bei mir gewesen, es sei Falschabrechnung. Nicht einmal meiner Hilfe würde geglaubt, die den Alkoholtest gemacht hatte.

9.Nach Niederlegung der Kassenzulassung wegen Krankheit 1991 führte ich bei allen Drogenabhängigen nur eine korrekte Amalgamsanierung durch und gab ihnen meine Schriften zum Entzug.

Grob betrachtet war durch diese Maßnahmen der Erfolg der gleiche wie mit dem vorherigen Riesenaufwand und Ärger!

         Dieses Problem verlangt ein sofortiges Amalgamverbot!

(Auszug aus meiner neuen Biografie)