Dr. Binz interessante Wende im Fall

Irgendwie ist es eine moderne Weihnachtsgeschichte, die

sich abspielt.

Jedes Jahr vor Weihnachten zitierte die Kassenärztliche

Vereinigung (KV) Dr. Binz und seine Frau vor, um dem

Arzt irgendwelche aus der Luft gegriffenen Verfehlungen

nachzuweisen. Mit Schrecken dachte das Ehepaar kurz

vor Weihnachten daran, was wohl nun wieder kommen

würde. Jedes Mal mussten haltlose Vorwürfe entkräftet

werden, was viel Kraft und vor allem den Weihnachtsfrieden

der Familie mit fünf Kindern kostete. Bösartigkeit,

war in vielen Fällen deutlich zu erkennen. Sobald der

Vorwurf widerlegt war, kam statt einer Entschuldigung

immer der gleiche Spruch: „Hätte ja sein können.“

Weihnachten in diesem Jahr ist anders. Dieses Mal könnte

man sagen, wer Anderen eine Grube gräbt, fällt selbst

hinein. Nachdem man den Trierer Neurologen Dr. Peter

Binz im Sommer von Seiten der KV Trier mit härtestem

Nachdruck des Abrechnungsbetruges überführen wollte

(1), hat sich nun das Blatt gewendet. Bei den Vorwürfen

des Abrechnungsbetruges gegen Dr. Binz zeigt sich immer

mehr, dass sie nicht standhalten. So wurde nach einer

Kontrolle der Praxissoftware von Seiten eines Experten

mit 15 Jahren Berufserfahrung bestätigt, dass er noch selten

eine so korrekt abrechnende Praxis gesehen hätte (2).

Die KV Aufstellung der angeblich zuviel abgerechneten

Stunden ist nahezu restlos zusammengeschmolzen. Bei

der Kassenärztlichen Vereinigung Rheinland selbst hingegen,

sieht es anders aus. Der in einer, im wahrsten Sinne

des Wortes, ominösen Nacht und Nebel Aktion (zwischen

24.00 und 4.Uhr nachts!) gewählte Vorstand der Landes

KV Rheinland kassierte hohe Gehälter, erschien aber

selten an seinem Arbeitsplatz (3). Stattdessen betrieben

die Ärzte im Vorstand ihre Privatpraxen weit über dem

durch die KV Satzung erlaubten 13 Stunden Limit (4).

Zwischen 180.000 und 240.000 Euro Gehalt erhielten die

drei auffällig gewordenen Vorstandsmitglieder hierfür als

Jahresgehalt, ohne Sonderzulagen, Dienstwagen und zusätzliche

Altersversorgung - eine stolze Summe. Ein Arzt

des KV Quartetts wird zur Krönung des ganzen Skandals

zusätzlich wegen Abrechnungsbetrug von der Staatsanwaltschaft

durchleuchtet.

In einer außerplanmäßigen, nicht-öffentlichen Sitzung

am vergangenen Samstag wurden einschneidende Entscheidungen

gefällt. Zwei der drei auffällig gewordenen

Vorstandsmitglieder wurden entlassen, weil sie gegen

ihre Arbeitsverträge verstoßen hatten. Die KV Rechtsabteilung,

stellvertretend durch Mario Lowey, kündigte

Schadensersatzforderungen in unbestimmter Höhe an (5).

Ein drittes Vorstandsmitglied wünschte, obwohl es in

„angemessenen“ Umfang in der KV gearbeitet hätte, eine

Entlassung zu Ende 2007. Der Vorstand soll bis 2008 auf

2 Mitglieder geschrumpft werden. Die Jahresgehälter der

Vorstandsmitglieder von rund 200.000 Euro seien, laut

KV, nicht in Frage gestellt worden.

Einzig gegen Vorstandschef Dr. Carl-Heinz Müller gäbe

es bisher keine Vorwürfe, wurde mitgeteilt. Doch ganz

ohne Vorwurf, wie in der Ärztezeitung postuliert, kann

der verantwortliche Vorstandschef Dr. Carl-Heinz Müller

nicht ausgehen, denn als KV Chefvorstand musste ihm

auffallen, dass seine wichtigsten Mitarbeiter nie anwesend

waren und dennoch wohl bemessene Gehälter

kassierten. Ein untragbarer Missstand, der Konsequenzen

haben muss, soll dem ohnehin bundesweit hart angeschlagenen

Ansehen der KVen nicht noch weiter geschadet

werden. In diesem Zusammenhang sei auch an die Worte

von Dr. Müller aus dem Jahr 2005 erinnert: „Als Vorstand

machen wir uns gemeinsam dafür stark, dass die ärztliche

Versorgung zum Wohle der Bevölkerung in einem Solidarsystem

weiterhin gesichert ist“. Dies sei oberstes Ziel,

so Müller damals. Auch wolle man dazu beitragen, dass

das Führen einer Praxis wieder attraktiv wird, argumentierte

Müller damals weiter.

Was im Fall Dr. Binz Recht sein soll, muss im Fall

Landes- KV billig sein. Interessant wäre in diesem

Zusammenhang zu verfolgen, ob die Untersuchungen

in den benannten Fällen, die angeblich schon seit Mai/

Juni laufen, ebenfalls mit Razzia in der Praxis und im

Privathaus der Ärzte, Durchsuchen des Schlafzimmers,

Erniedrigungen der Familienmitglieder, Vorabzahlungen

in sechsstelliger Höhe und mit Monate andauernder Beschlagnahmung

der Patientenakten einhergingen, wie im

Fall Binz.

Seine Autorität und Glaubwürdigkeit hat der gesamte KV

Vorstand jedenfalls unwiederbringlich verloren. Gerade

zum jetzigen Zeitpunkt, wo viele der ihnen unterstellten

6.500 Ärztekollegen streiken, weil sie um ihre Existenz

bangen und um die Erstattung effektiver Behandlungsmöglichkeiten

gegenüber kranken Menschen fürchten. In

Relation zum Fall Binz, wirkt der dargestellte Sachverhalt

skurril und fordert härteste rechtliche Vorgehensweise

und Entthronung des gesamten KV Landesvorstandes.

Autor:

Silvia K. Müller, CSN - Chemical Sensitivity Network,

17. Dez. 2006

Literatur:

Umweltmedizin unter Beschuss – Fall Binz, Perspektiven, Herbst 2006

Schwere Vorwürfe gegen KV-Vorstand in Rheinland-Pfalz, Ärzte Zeitung, 08.12.2006

Bericht über MCS-ISYNET in der Praxis Dr. Peter Binz, 25.09.2006

Streit um KV-Vorstand muss vor Gericht geklärt werden, German News Deutsche Ausgabe, 26.

03. 2005

Kassenärztliche Vereinigung entlässt zwei Vorstände, SWR Eins, Gehört, Gehört, 17.12.2006