Chikungunya-Fälle in Deutschland
 

Das Chikungunya-Fieber beschäftigt mittlerweile auch Ärzte in Deutschland. Sie behandeln Patienten, die sich im Urlaub infiziert haben. Vor einer Epidemie wie derzeit auf Réunion muss sich jedoch niemand fürchten: Die Überträgermücke ist hierzulande nicht heimisch.

Was derzeit auf der französischen Insel Réunion passiert, klingt beängstigend: Binnen weniger Wochen haben sich rund 140.000 Menschen mit dem Chikungunya-Erreger infiziert. Jeder fünfte Bewohner der Insel ist damit erkrankt. Die von der Epidemie Betroffenen leiden unter Fieber und teilweise heftigen Schmerzen an Muskeln und Gelenken, die aber meist nach einer Woche wieder abklingen.

Menschen mit geschwächtem Immunsystem können an der Infektion jedoch offenbar auch sterben, wie französische Mediziner jüngst erklärten. 77 Todesfälle auf Réunion werden mittlerweile in Zusammenhang mit dem Chikungunya-Fieber gesehen.

Und auch bis nach Deutschland hat es der Erreger bereits geschafft. Am Münchner Tropeninstitut wird eine 63 Jahre alte Frau aus München behandelt, die sich auf Mauritius angesteckt hat. Am Hamburger Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin sind sechs Fälle aus Deutschland bekannt.

"Die positiven Proben kommen aus der gesamten Republik", sagte Institutssprecherin Barbara Ebert im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE. Die älteste Probe stamme vom Juni 2005. Oft handle es sich um eine Bestätigung im Nachhinein. Die Krankheit sei dann schon überstanden. "Panik ist völlig unangebracht", betonte Ebert.

Dass der Erreger bald Europa erreichen würde, findet man am Bernhard-Nocht-Institut wenig erstaunlich. "Überrascht hätte mich, wenn wir keine Chikungunya-Fälle bei Reisenden hätten", sagte Helmut Jäger, Leiter des reisemedizinischen Dienstes des Instituts. Auf Réunion herrsche eine Epidemie. "Klar, dass sich auch Touristen infizieren und das Virus mit nach Deutschland bringen."

Deutschland zu kalt und zu trocken für Erreger

Die Gefahr einer Epidemie wie auf Réunion besteht nach Jägers Angaben jedoch nicht. "Eine Übertragung ist nur über die Tigermücke möglich. Selbst wenn es die Mücke hier gäbe, bräuchte man hohe Temperaturen und eine hohe Luftfeuchte, damit sich die Viren in der Mücke vermehren können."

Die französische Regierung hat gestern die ersten Fälle von Chikungunya-Fieber in Europa offiziell bestätigt. Es gebe "einige Dutzend" Fälle, bei denen Reisende die Krankheit von Inseln wie La Réunion vor Ostafrika mitgebracht hätten, sagte Gesundheitsminister Xavier Bertrand. "Es handelt sich um Menschen, die sich Chikungunya bei Aufenthalten auf einer der Inseln im Indischen Ozean geholt haben und ins Mutterland zurückgekehrt sind", sagte Bertrand in Saint-Denis-de-la-Réunion. Er war zusammen mit Premierminister Dominique de Villepin auf die Insel vor Ostafrika gereist, der am Sonntag ein 76 Millionen Euro umfassendes Hilfsprogramm zum Kampf gegen Chikungunya angekündigt hatte.

Tigermücke in Frankreich und Italien heimisch

Eine Übertragung der Krankheit in Frankreich selbst sei nicht bekannt, sagte Gesundheitsminister Bertrand, weil es dort "zur Zeit" keine Mücken gebe, die das Virus verbreiten könnten.

Der Überträger, die Asiatische Tigermücke (Aedes albopictus), hat sich in den vergangenen Jahren in mehreren europäischen Ländern etabliert, darunter in Frankreich und in Italien. Auch andere Stechmücken der Aedes-Gattung kommen laut Experten theoretisch als Überträger in Frage. Der Hamburger Tropenmediziner Jäger hält eine Übertragung jedoch selbst in Südfrankreich für unwahrscheinlich, weil es dort nicht warm und feucht genug sei.

Das Chikungunya-Virus gehört zur
Familie der Togaviren und ist in Afrika südlich der Sahara, in Indien und in Südostasien verbreitet. Es wird von tag- und nachtaktiven Mücken der Gattung Aedes übertragen, die auch Dengue- und Gelbfieber verbreiten.

Reisenden wird empfohlen, tagsüber und nachts Mückenschutz zu verwenden. Schlafen sollte man möglichst unter einem Moskitonetz. Eine spezielle Therapie oder eine Impfung gegen das Chikungunya-Virus existiert nicht.

Spiegel online28.2.06