1976 Chemische Kampfstoffe Prophylaxe unsere Zufallsentdeckung

1976 wurde nachts auf meiner TOX-Station eine schwerste, über 100 fache tödliche E-605-Vergiftung falsch behandelt:

Der versuchte Selbstmörder bat, keine Magenspülung durchführen zu lassen, da er vor kurzem am Magen operiert worden wäre (was nicht stimmte). Der Dienstarzt glaubte ihm aber.

Am nächsten Morgen war ich sprachlos über die unterlassene Hilfe.

Aber vieles passte hier nicht zusammen. Der Notarzt brachte auch eine leere Flasche mit einem Carbamat, einem anderen hochgiftigen Pestizid mit, das heute allen Alzheimer-Patienten gegeben wird. Auf Nachfrage bestätigte der Patient, dass er auch dies geschluckt hatte.

Völlig überrachend war der Patient trotz der immens hohen aufgenommenen Giftdosis noch ansprechbar. Die Serumcholinesterase, die anfangs natürlich bei Null lag erholte sich jedoch überraschenderweise sehr schnell wieder – ganz im Gegensatz zu anderen viel leichteren Vergiftungen, in denen die Erholung mindestens 6 Wochen brauchte.

Außer Kohle bekam der Patient keinerlei Entgiftung. Schnell spürte ich, dass ich hier einem neuen Therapiekonzept begegnet sei:

 

Das kurzwirkende Carbamat blockierte vorübergehend die Serumcholinesterase, sodass das Alkylphosphat sie nicht ruinieren

konnte. Danach wurde die Serumcholinesterase wieder frei. Der Patient wurde rasch wieder gesund und hatte danach keine Depression wie die anderen Alkylphosphatvergifteten.

Ich wollte eine Schnellmitteilung in das Fachblatt der Toxikologie schreiben.

Zufällig erzählte ich es dem Cheftoxikologen der Bundeswehr, Prof.Dr.Nikolaus Weger,  der sich stark dafür interessierte und dringend bat, nichts zu veröffentlichen. Er meinte, dass dies zur Zeit des Kalten Krieges mit Russland und deren Absichten mit dem Kampfstoff Tabun/ Sarin nicht zweckmäßig sei, eine effiziente Schutzmassnahme zu veröffentlichen.

Später hörte ich als Ausbilder der Sanitätsakademie der Bundeswehr, dass Weger diese Therapieform für die NATO vermarktet hatte und im Tierversuch an Beagle-Hunden meine klinischen Beobachtungen voll bestätigt hatte. Alle NATO-Armeen wurden daraufhin mit Carbamat-Tabletten zum Schutz vor Alkylphospat-Angriffen geschützt.

Heute spielt diese Schutzmassnahme wieder eine große Rolle seit man weiß, dass Attentäter mit Tabun oder Sarin Großangriffe auf städtische U-Bahnhöfe planen.

Rechtzeitig das „Antidot“ zu schlucken kann Menschenleben retten!

(Zusatz zur Biografie)