Brot - unser klägliches, essen wir uns krank?

"Was bringt den Doktor um sein Brot?

a - die Gesundheit

b - der Tod

So hält er uns, auf dass erlebe, zwischen beiden in der Schwebe."

"Was hat denn Essen mit Gesundheit zu tun?"

Meine spätere Recherche ergab, dass in dar Ärzteausbildung in Deutschland und Europa der Zusammenhang zwischen gesundem Essen und Gesundheit so gut wie nicht gesehen und nicht gelehrt wird. Deshalb konnte sich unsere Landwirtschaft zu einer Chemie-Landwirtschaft entwickeln, und deshalb konnte die frühere Lebensmittelproduktion zu einer Nahrungsmittelproduktion verkommen, deren Produkte zwar satt machen, aber immer weniger Mittel zum Leben sind. Lebendiges ist kaum noch in ihnen enthalten. "Masse statt Klasse" und "Hauptsache satt" und "Hauptsache billig", heißt das Motto der Nahrungsmittelproduktion. Hauptsächlich deshalb steigen die sogenannten Gesundheitskosten, die eigentlich Krankheitskosten sind, ins Unermessliche und ins Unbezahlbare. Jede neue Gesundheitsministerin weiß davon ein Lied zu singen.

Vergessen wurde die Grunderkenntnis jeder Biologie: Nur Leben kann Leben weitergeben. Der Begründer der traditionellen ayurvedischen Medizin in Indien, Caraka Samhirta, lehrte vor 2100 Jahren: "Allein durch gute Nahrung gedeiht der Mensch, schlechte Nahrung hingegen ruft Krankheit hervor."

Voraussetzung für die Gesundheit aller Lebewesen sind gesunde Böden, gute Luft und sauberes Wasser. Der griechische Arzt Hippokrates schon 400 Jahre vor Samhirta: "Eure Lebensmittel sollen eure Heilmittel sein und eure Heilmittel sollen eure Lebensmittel sein."

Wir müssen zurzeit in Deutschland jedes Jahr 75 Milliarden Euro für Gesundheitsreparatur-Kosten wegen falscher Ernährung ausgeben. Das heißt: Wir essen uns krank. Die Qualität unserer weitgehend in Agrarfabriken erzeugten heutigen Nahrungsmittel kann der Münchner Metzgermeister Karl Ludwig Schweisfurth sehr gut beurteilen. Früher war er Chef der größten Metzgerei Europas mit 5000 Mitarbeitern. Heute ist Schweisfurth einer der Pioniere des ökologischen Landbaus. In seiner Biografie "Wenn's um die Wurst geht" schreibt der Bekehrte: "Ich habe seit den fünfziger Jahren miterlebt, wie wir im Glauben an den Fortschritt immer mehr Technik und Chemie einsetzten, um die Lebensmittel ‚sicherer‘ und haltbarer zu machen, immer schöner anzuschauen und immer billiger.

Sie sind in der Tat heute sicherer, was Lebensmittelvergiftungen und Übertragung von Krankheiten betrifft, sie sind länger haltbar durch Hygiene, Kühlung und Verpackung und können so kreuz und quer durch die Welt transportiert werden.

Aber wo ist denn das Leben in den Lebensmitteln geblieben? Es ist durch all das Erhitzen, Hocherhitzen, Ultrahocherhitzen, durch Raffinieren, Härten, Bleichen, durch all die vielen chemischen Substanzen, die Hilfs- und Zusatzstoffe - alles in Übereinstimmung mit den Gesetzen - langsam, unmerklich und leise, wie auf Katzenpfoten aus unseren Lebensmitteln verschwunden. Wir haben heute überwiegend tote Nahrungsmittel vor uns auf den Tellern.

Lebensmittel heißen doch so, weil sie Mittel zum Leben, also lebensfördernd sein sollen. Aber die Lebensmittel-Skandale der letzten Jahre - BSE-Rindfleisch-, Schweinemastskandal, Dioxin-Hühner - haben viele frühere Gewissheiten in die Gesundheit unserer Lebensmittel erschüttert. Auf dem Höhepunkt der BSE-Kriese musste sogar Bundeskanzler Schröder "Schluss mit den Agrarfabriken" fordern.

Rund die Hälfte der Deutschen hat Übergewicht - sogar schon jedes dritte siebenjährige Kind. Das Deutsche Institut für Ernährungsmedizin und Diätetik in Berlin sagt voraus, dass falsche Ernährung in Zukunft verstärkt tödliche Krankheiten verursachen wird. Der Berliner Wissenschaftler: "Zurzeit sind 64 Prozent der Todesfälle in Deutschland direkt oder indirekt auf Krankheiten zurückzuführen, die durch falsche Ernährung bedingt sind."

Was wir beute essen, hat Auswirkungen auf unsere Gesundheit noch in 30 Jahren, sagte der Arzt und Vater der deutschen "Ernährungsberater", Dr. Max Otto Bruker. Mit seiner fast 50-jähngen Erfahrung als Chefarzt mehrerer Krankenhäuser war Bruker davon überzeugt, dass die ihrer Vitalität beraubte Ernährung fast alle Zivilisationskrankheiten bedingt oder mit verursacht, hauptsächlich Krebs, Herz- und Kreislauferkrankungen sowie Rheuma. Dr. Bruker - er starb im Januar 2001 - sagte am Ende seines langen Lebens: "Es ist ein tragisches Kapitel menschlicher Geschichte, dass der Mensch sich so weit hat beeinflussen lassen, dass er der Nahrung umso mehr traut, je unnatürlicher und künstlicher sie ist - und dass er sich das Misstrauen zu allen Lebensmitteln, wie sie die Natur uns beschert, so fest hat einpflanzen lassen, dass er eher zu Grunde geht, als diese Haltung aufzugeben. Dass er dieses Misstrauen zur Schöpfung selbst nicht als Unrecht und widersinnig empfindet, ist ein Zeichen dafür, wie weit er sich durch ständige Fehlinformationen seinen Instinkt hat nehmen lassen."

Kaum etwas verändern wir so langsam wie unsere Essensgewohnheiten. Aber langsam und sicher verändern Essensgewohnheiten uns.

Die McDonald's-Kultur unserer Zeit präpariert eine gesundheitliche und finanzielle Zeitbombe: Was wir damit der heutigen jungen Generation durch Verabreichen von toter Nahrung antun, ist gesundheitlich nicht zu verantworten und die Krankheitskosten dafür werden schon in wenigen Jahrzehnten nicht mehr zu bezahlen sein.

Ein positives Beispiel: Früher galt das "Waldviertel" als das Armenhaus Österreichs. Doch das hat sich gründlich geändert, obwohl hier noch 25 Prozent der Bevölkerung in der Land- und Forstwirtschaft beschäftigt sind. Fast alle wirtschaften ökologisch. Das "Waldviertel" gilt heute als das Delikatessengeschäft Europas. Eine geglückte Verbindung von nahezu 100 Prozent ökologischem Landbau, sozialverträglichem Tourismus, unzerstörter Natur, gesunder Küche und dem Bekenntnis zu eigenen kulturell-religiösen Tradition hat das "Waldviertel" inzwischen zu einem touristischen Geheimtipp, zur Europäischen Musterregion und zu einem Prototyp für ein ländliches ökologisches Wirtschaftswunder werden lassen.

Das "Waldviertel" in Österreich ist die erste komplette Öko-Region Europas - die Umstellung der gesamten Region auf "Bio" hat ökonomische, ökologische und soziale Vorteile gebracht. Voraussetzung für diese Entwicklung war freilich, dass sich schon 1992 bei Umfragen über 90 Prozent der österreichischen Bevölkerung für eine Ökologisierung der Landwirtschaft ausgesprochen haben. Im "Waldviertel" ist bewiesen, dass auch Menschen wollen, was Tiere längst bevorzugen: ökologisch erzeugte Lebensmittel.

Wissenschaftler haben schön lange herausgefunden, dass Tiere bei freier Wahl Biofutter bevorzugen.

Ein Biobauer erzählte mir diese Geschichte: Er verkaufte seine Biolebensmittel in seinem Hofladen. Eines Tages kam eine Frau zu ihm und verlangt Biomöhren. Er sieht aber, dass sie in ihrer Aldi-Tasche schon herkömmlich angebaute Möhren hat. Neugierig geworden fragt er: "Warum wollen Sie denn meine teuren Biomöhren - Sie haben doch in ihrer Tasche schon billige Aldi-Möhren?" Die Kundin sagte: "Wissen Sie, wir haben einen Hasen zu Hause und der frisst nur Biomöhren. Meine Familie bekommt die Aldi-Möhren."

Was lehrt uns diese Geschichte? Hasen würden Bio kaufen!

TZ, 11.Oktober 2005