1959 Bodechtel  Daunderers Familienidol

 

Das Ganze begann 1930 als Dr. Gustav Bodechtel im Schwabinger Krankenhaus arbeitete. Auf seiner Station praktizierte die Mutter Dr. Josefa, der Vater Dr. Walter und lernten sich dort kennen. Zugleich kam auch die Tante Dr. Maria zu dieser herausragenden Persönlichkeit.

Bodechtel baute allen ein faszinierendes Weltbild auf und weckte Interessen an seinem Steckenpferd der Neurologie. Seine Medizin bestand aus überlegten Lehrsätzen, wie

 

Der Körper hat nur eine Krankheit

 

Krank ist nie die Psyche, sondern nur das Nervensystem

 

Jede Nervenkrankheit hat eine Vergiftungsursache

 

Heutige Medizin ist zu schlecht, das verursachende Gift zu finden

 

Alle Gifte machen psychisch krank

 

Nach wenigen Monaten zog Bodechtel weiter. Seine Fans schwärmten ein Leben lang.

1953 kam Bodechtel wieder nach München. Jetzt pilgerten alle in seine Vorlesungen, die jedes Mal mit Sprüchen endeten.

1959 mit 16 Jahren ging Max mit seiner Mutter zur Vorlesung von Bodechtel. Ein Fall einer ALS wurde gezeigt (Amyotrophe Lateralsklerose).

 

ALS ist stets eine Quecksilberfolge

 

So umschrieb er Amalgam. Beim Öffnen des Mundes sah man nur Schwarzes. Nachdem der Kranke hinausgefahren war.

 

Schwarzer Mund ist Vorbote des Todes

 

Wenig später war der ALS-Kranke erstickt.

 

Um Bodechtel viel zu sehen, machte ich nach der Pflichtzeit als Krankenpfleger vor dem Medizinstudium noch eine Zusatz-Zeit in seiner Klinik und ging auf allen Visiten mit, später folgten viele freiwillige Famulatur-Zeiten. Die ausgefallensten neurologischen Krankheitsbilder sammelten sich bei ihm. Noch in der Vorklinik lernte ich in seiner Vorlesung meine spätere Frau Dr. Gertrud kennen, die ebenfalls von seinen Sprüchen sehr begeistert war. Später lernte ich dort seinen besten Schüler kennen, Dr. Berthold Mackert, mit dem mich noch heute die tiefste Freundschaft verbindet. Wir unterhalten uns oft über die Ignoranz der heutigen Mediziner. So erinnern wir uns an die Seitenhiebe von Bodechtel zu seinem Konkurrenz-Ordinarius, dem Psychosomatiker Prof. Seitz, Internist der Poliklinik.

 

Psychosomatiker kennen nur eine einzige Krankheitsursache:

 die kranke Psyche der Mutter

 

Bei Prof. Seitz absolvierte ich mein internistisches Staatsexamen, vorher machte ich eine Lehr-Psychoanalyse trotz Bodechtel-Satz:

 

Die Psychoanalyse ist der größte Betrug dieses Jahrhunderts

 

gemäß Bodechtels Lehrsatz:

 

Die Lehrmeinung seines Gegners muss man exakt studieren,

um eigene Fehler zu erkennen

 

Wer die Wahrheit vertritt, für den gilt:

 

Quod licet Jovi, non licet bovi.

“Ein Rindvieh darf alles sagen”

 

Genetisch ist die Umschreibung von Giftfolgen

 

Bodechtel forderte für jedes Krankheitsbild die optimalste und modernste Diagnostik, ehe man an die Therapie denken konnte:

 

Vor die Therapie hat Zeus die Mutter Diagnostik gestellt!

 

Klar, dass der Faszination von Bodechtel auch der Bruder Dr. Walter nicht entgehen konnte. Er liebte die moderne kardiologische Diagnostik vom großen eigenen Labor als Internist über das Langzeit-EKG bis zum farbigen Herzschall und Doppler.

Die gemeinsame Wurzel mit Bodechtel war die Tätigkeit am Schwabinger Krankenhaus, das unser Vorfahre Dr. Georg Koch ein Jahrhundert vorher gegründet hatte als Krankenhaus am Nicolaiplatz. Sein Portrait hängt seit 50 Jahren in meinem Zimmer. Sein Leben war ein Kampf für die Armen. Er entstammte aus einer steinreichen Familie von Strumpfwirkern und Lebzeltern und der Gründung der Bierhochburg von Paulaner am Nockherberg.

 

Die Mutter lebte gedanklich stets in der Klinischen Toxikologie seit ihrer Tätigkeit auf der Entgiftungsstation 2/1 im Krankenhaus rechts der Isar, meinem späteren Wirkungsort als Oberarzt . Sie hatte die Idee, mich mit 16 zu Bodechtel mit zu nehmen nach dem schweren Chemieunfall des Mitschülers Reiser, der mit einer selbstgemischten Raketenantriebsmischung in die Luft geflogen und dabei schwer verletzt und vergiftet worden war. Sie erhoffte einige Gedankenanstöße.

Alles ging gut, zurück blieb jedoch bei mir nach der Vorlesung über ALS der Wunsch, ein Klinischer Toxikologe zu werden, der alles weiß und sofort helfen kann.

 

Biografie von Bodechtel:

Gustav Bodechtel , ev. , stammte aus Nürnberg und war Fabrikantensohn. Sein Urgroßvater väterlicherseits war ein bekannter Orgel- und Cembalo-Bauer in Nürnberg. B. besuchte ein Realgymnasium in Nürnberg und studierte in Erlangen und München Medizin und Naturwissenschaften. 1923 promovierte er zum Dr. phil., 1928 zum Dr. med. (Staatsexamen 1925).

 

Seit 1925 wirkte B. als Assistent an der Gynäkologischen Poliklinik in München und arbeitete dann ab 1927 an der anatomischen Abteilung der Deutschen Forschungsanstalt für Psychiatrie, ebenfalls in München. Ab 1930 war er an der inneren Abteilung des Krankenhauses München-Schwabing tätig und ging 1931 als Oberarzt an die Medizinische Universitätsklinik in Erlangen.

 

1932 habilitierte sich B. in Erlangen als Privatdozent für Innere Medizin und Neurologie. 1935 siedelte B. als Oberarzt an die Nervenklinik Hamburg-Eppendorf über und erhielt einige Zeit später an der Universität Hamburg eine a. o. Professur. 1938 wechselte B. an die Innere Abteilung des städtischen Brüder-Krankenhauses in Dortmund. 1940 folgte er einem Ruf als ordentlicher Professor und Direktor der II. Medizinischen Klinik der Medizinischen Akademie in Düsseldorf. Von 1953-67 war B. schließlich Direktor der II. Medizinischen Universitätsklinik in München und als Ordinarius für innere Medizin Inhaber des Lehrstuhls an der Universität. Seine Antrittsvorlesung über das Thema "Über die Wandelbarkeit innerer Krankheiten" blieb unvergessen.

 

B. gilt als Initiator der Hirnkreislaufforschung in Deutschland und trat schon früh mit Arbeiten von bleibender Bedeutung über Hirnveränderungen bei internistischen Erkrankungen hervor. Gleichermaßen herausragend als Arzt und Forscher hat er auf vielen Gebieten der inneren Medizin, von der invasiven Kardiologie bis hin zur Hämatologie und zur Neurologie, erfolgreich gearbeitet.

 

In zahlreichen wissenschaftlichen Untersuchungen hat sich B. mit Krankheiten im Grenzgebiet zwischen Neurologie und innerer Medizin befaßt. Schon als junger Wissenschaftler hatte er die Gehirne Verstorbener untersucht, die an Krankheiten der Gefäße und inneren Organe gelitten hatten. Später stellte er seinen Schülern die Aufgabe, die hämodynamischen und metabolischen Störungen des Gehirns bei solchen Kranken zu erforschen, um eine sinnvolle Therapie zu finden. Gemeinsam mit seinen Schülern schrieb er u.a. das Lehrbuch "Differentialdiagnose neurologischer Krankheitsbilder".

 

Für seine Bahnbrechenden Arbeiten ernannte ihn die Société Française de Neurologie zu ihrem Ehrenmitglied. Er war u.a. Inhaber des Bayer. Verdienstordens.

B. war seit 1930 mit Elisabeth, geb. Römer, verheiratet. Er hatte zwei Söhne, eine Tochter und zahlreiche Enkel.

(Zusatz zur Biografie)