Die Weber

Vorgeschichte:

Seine Majestät Wilhelm II. hat die kaiserliche Loge im Deutschen Theater zu Berlin gekündigt, weil das dort 1894 aufgeführte Schauspiel Die Weber von einem gewissen Gerhard Hauptmann 'demoralisierende Tendenzen' aufweise. Die Zensurbehörden hatten versucht, die Aufführung zu verhindern, aber nach langen gerichtlichen Auseinandersetzungen wurde das Verbot aufgehoben.

Das schlesische Kampfstück ging über die Bühne.

 

Inhalt:

Dabei hat Hauptmann selbst der Auffassung widersprochen, sozialistische Tendenz geschrieben zu haben. Er betonte, das 'die christliche und menschliche Empfindung, die man Mitleid nennt', sein Beweggrund war. Der Handlungsfaden der Weber ist rasch abgewickelt: hier die Ausbeuter, da die Ausgebeuteten. Das muss zwangsläufig zu Konfrontationen führen, denn so kann es nicht weitergehen. Die Profitgier auf der Unternehmerseite, das Elend der Weberfamilien mit ihren Hungerlöhnen und über allem die bürgerliche Angst vor der Unruhe und Unordnung. Als bei der Ablieferung der Leinenballen in der Expedition des Fabrikanten Dreissiger ein kleiner Junge ohnmächtig zusammenbricht, klingen aus dem Murren der Leute die drohenden Töne des Aufruhrs. Nur mit Mühe und fadenscheinigen Versprechungen gelingt es dem Unternehmer, die erregten Heimarbeiter zu beschwichtigen. Wie berechtigt diese Erregung ist, zeigt der weitere Verlauf der Weberfamilie Baumert, die, wie alle Lohnweber, in erbärmlichsten Verhältnissen leben und arbeit en muss. Ein vom Militärdienst heimgekehrter Gast begeistert die Verzweifelten mit dem sogenannten "Weberlied", das zur Rebellion aufruft, deshalb von den Behörden verboten wurde und gerade darum zum Kampflied wird.

In der Dorfkneipe kommt es dann zum offenen Widerstand gegen die Polizeigewalt, und die aufgeputschten Massen ziehen zum Haus des Fabrikanten. Dort soll eben der festgenommene Reservist, der mit dem "Weberlied" die Menge in Bewegung gebracht hat, verhört werden. Die Weber verlangen ohne Erfolg seine Freilassung und stürmen daraufhin die Villa. Die Bewohner müssen vor den plündernden Aufrührern fliehen. Nun kann nur noch Militäreinsatz die Ruhe wieder herstellen. Der Aufstand wird blutig niedergeschlagen. Ein alter, gottesfürchtiger Webermeister, der in der Erwartung einer höheren Gerechtigkeit vor der Rebellion gewarnt hat und ruhig in seiner Hütte geblieben ist, wird durch eine verirrte Kugel getötet.

 

So geschehen im Juni 1844 im schlesischen Eulengebirge. Hauptmann benutzte als historische Quellen zeitgenössische Berichte und Dokumentationen. Damit entstand erstmals für eine deutsche Bühne ein Werk, das der Gruppe die dramatische Funktion des Helden zuteilt. Das persönliche Schicksal des einzelnen tritt zurück hinter das soziale Thema der Masse. Das Individuum ist zwar deutlich erkennbar und geschildert, bleibt aber integrierter Teil eines Ganzen. Gerhard Hauptmann hat mit seinen "Webern" das kollektive Schicksal auf das Podium gebracht.

(ARD-Fernsehspiel, Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland, Heft: Januar bis März 1980)