Der amalgamvergiftete Zahnarzt

 

Der Zahnarzt und seine Helferin werden auch nach dem demnächst erfolgenden weltweiten Amalgamverbot noch mindestens 15 Jahre lang an den Folgen der Amalgamära zu tragen haben. Die kalifornische Zahnärzteorganisation hatte im Februar 1989 319 Literaturstellen aus dem INDEX MEDICUS über die Vergiftungsfolgen, insbesondere der Zahnärzte durch Amalgamverarbeitung, zusammengestellt. Dabei sind nicht nur Todesfälle ohne Warnsymptome von Zahnärzten und ihren Helferinnen als Folgeerscheinung eines leichtsinnigen Umgangs bei der Herstellung und Verarbeitung von Amalgam beschrieben, sondern auch die Gefährdung der Familienmitglieder durch kontaminierte Kleider, Haare (197) und insbesondere Schuhe dokumentiert (199).

 

Einmal wurde der Nachhauseweg eines Zahnarztes aufgrund seiner Quecksilberdampf-Spur verfolgt (199). Bei der Sterilisation der Bestecke wurden hohe Hg-Dampf-Werte gefunden. Hiesige Beschreibungen von Zahnarzthelferinnen, die wegen einer schweren Quecksilbervergiftung behandelt werden mussten, lassen vermuten, dass diese Tatsache wohl aufgrund der einseitigen Information durch Zahnarztverbände völlig unbekannt ist.

 

Jede Vergiftung ist heimtückisch - heimtückisch ist auch das Argument: weil es wenig Vergiftungs-Kasuistiken gäbe, kämen keine wirklichen Vergiftungen vor. Die „Vergifter“ unternehmen alles, um einen Kausalzusammenhang unwissenschaftlich erscheinen zu lassen. Da gerade bei den Zahnärzten und Helferinnen, die meinten, nicht ungeschützt dem Quecksilberdampf ausgesetzt gewesen zu sein, extrem hohe aktuelle Urinwerte gefunden wurden (556 µg/l) (256), halten jüngst Autoren die T-Lymphozytendifferenzierung (jede Form von Amalgamkontakt geht mit einer Depression der T-Lymphozyten einher) für einen geeigneten „Suchtest“. Die verschiedenen Angriffspunkte von Quecksilber, Zinn, Silber und Kupfer führen neben der Vergiftungssymptomatik zu einer vorzeitigen Alterung, die sich in der geringen Lebenserwartung der Zahnärzte ausdrückt. Da Feten von Amalgamträgerinnen entsprechend höhere Amalgamkonzentrationen haben (241), müssen Zahnarzthelferinnen ebenfalls mit einem höheren Teratogenitätsrisiko rechnen (250 / 236), da besonders Methylquecksilber stark teratogen wirkt. Die Umwandlung von anorganischem zu organischem Quecksilber durch verschiedene Mundbakterien wird beschrieben (225). 71% des gespeicherten Quecksilbers sind anorganisch, Leichen mit Amalgamfüllungen haben mindestens 3mal höhere Hg-Werte im Gehirn und in den Nieren als ohne Amalgam. Zahllose Autoren beschreiben ausführlich die moralische und auch juristische Pflicht des Zahnarztes (USA: $ 10.000 Strafe), sich und sein Personal vor einer unnötigen Quecksilbervergiftung ausreichend zu schützen und die Effizienz der Maßnahmen kontinuierlich durch Messungen zu überprüfen. Von allen dort empfohlenen Maßnahmen fehlt bei uns derzeit noch jede Spur.

 

Quecksilber

Hypophyse

Occ. Cort.

(ng/g) in

 

 

 

 

 

Leichen ohne

 

 

Amalgam

5 - 10

11

 

 

 

Leichen mit

 

 

Amalgam

7 - 88

 

 

 

 

Zahnärzte

135 - 4.040

19 - 300

 

Prophylaxe

Bei der Amalgamverarbeitung Kopfschutz und Handschuhe tragen, regelmäßig die Quecksilberkonzentration am Arbeitsplatz überprüfen, am Ende der Arbeitsschicht bzw. am nächsten Morgen stichpunktartig die Quecksilberausscheidung im Urin messen, um die jüngste Aufnahme zu bestimmen, Straßenkleidung und Schuhe sicher am Arbeitsplatz verwahren und die Schutzkleidung regelmäßig waschen, bei Amalgamarbeiten die Klimaanlage mit Jodfiltern auf Durchzug schalten, garantieren, dass der Abzug nicht in andere Wohnungen gelangt. Nach Verschütten von Amalgam den gesamten kontaminierten Boden entfernen und einen neuen, fugenlosen Steinboden verlegen. Außerdem muss das gesamte Personal einschließlich Putzfrauen darauf hingewiesen werden, dass die Ernährung zink- und selenhaltig sein muss und quecksilber-, zinn- und kupferhaltige Nahrungsmittel wie Meerestiere, Wild, Waldpilze, Innereien, Dosennahrung und Trinkwasser aus Kupferleitungen gemieden werden sollten.

 

Für die Zahnärzte werden verschiedene Tips gegeben, wie das metallische Quecksilber unter Glyzerin bzw. der alten Röntgen-Entwicklungslösung aufbewahrt werden sollte und dass Ultraschall oder andere Erwärmung beim Anrühren wegen der Verdunstungsgefahr streng gemieden werden müssen. Für jede Amalgamsorte wird der Gewichtsverlust exakt angegeben, der bei Kupferamalgam extrem hoch ist. Die Quecksilberdampfgrenzwerte von über 8.000 Zahnarztpraxen wurden wiederholt gemessen, dabei fand man, dass ein großer Prozentsatz die Grenzwerte (0,05 mg/m3) zum Teil erheblich überschritt, die Grenzwerte der UdSSR (0,01 µg/ m3) werden von allen überschritten. Bei Kontrollen überschritt ein großer Teil derselben Praxen die Grenzwerte erneut, was auf eine mäßige Lernfähigkeit der Praxisinhaber schließen lässt. In diesen Praxen weisen die Mitarbeiter auch deutlich überhöhte Urin- bzw. Blutmessergebnisse des Quecksilbers auf. Dies ist zwar kein Beweis für eine Depotbildung, jedoch der sichere Nachweis für eine unnötige zusätzliche aktuelle Giftaufnahme.

 

Zahnärzte, die selbst Messungen veranlassten, suchen fieberhaft Minderungsmöglichkeiten der Giftaufnahme; so wird vorgeschlagen, eine Halbmaske mit Quecksilberfilter zu tragen. Hierdurch wird bei Einhaltung der anderen Maßnahmen die Quecksilberaufnahme total verhindert. Es wird auch auf die notwendigen Maßnahmen zur Minderung der Quecksilberdampfvergiftung des Patienten bei der Amalgamsanierung eingegangen: Gummidamm (Kofferdam), keine schnelle Turbine und Wasserbohrer. Helferinnen müssten eine Gefahrenzulage erhalten.

 

Mobilisationstest

Falls die Hg-Urinkonzentration über 5 µg/g Kreatinin beträgt bzw. das Leitsymptom Antriebslosigkeit plus Kopfschmerzen oder Bauchschmerzen oder Gedächtnisstörungen oder Schlafstörungen auftreten (schwere Vergiftungssymptome sind Zittern oder Schwindel und Depressionen), sollte ein Mobilisationstest durchgeführt werden:

 

3 mg/kg DMPS i.v.: Hg-Grenzwert im Urin nach 45 Min.: 50 µg/g Kreat. Hg

3 mg/kg DMPS (Dimaval) oder DMSA oral: Hg-Grenzwert 10 µg/kg Hg im Stuhl

 

Bei erhöhten Mobilisationswerten sollte der Betroffene so lange von Amalgamarbeiten fernbleiben, bis sich die Werte normalisiert haben. Therapeutisch werden dann wöchentlich 2 Kapseln Dimaval oder 400 mg DMSA morgens nüchtern empfohlen. Natürlich darf nicht zusätzlich Amalgam im Mund sein.

 

Selensubstitution

Vor Applikation von Antidoten wie DMPS oder DMSA empfiehlt sich bei Selenmangel die Substitution von Selen (z.B. Selenase® p.o., täglich eine Trinkampulle à 100 µg), da hierdurch eine verbesserte Ausscheidung erreicht wird.

 

Die Komplexbildung von Quecksilber durch den Schwermetall-Antagonisten Selen zu Quecksilberselenid ist ein natürlicher Umgiftungsvorgang, kann aber zunächst die Ausscheidung über die Niere verzögern. Kombiniert man Selen mit DMPS, wird Quecksilber ausgeschieden. Über den weiteren Verbleib des inerten Quecksilberselenids im Gehirn ist derzeit noch nichts bekannt.

 

Im Rahmen der Antidot-Therapie kommt es nach Selengabe zu einer deutlichen klinischen Besserung, die jedoch nur anhält, wenn eine Entgiftung angeschlossen wird. Die prophylaktische Gabe von Selen ist bei all jenen Berufsgruppen zu empfehlen, die einer erhöhten Quecksilber-Exposition ausgesetzt sind.

 

Zusammenfassung

Personal: Zinkzufuhr durch eine ausreichende Aufnahme von Fleisch, Weizenkleie o.ä. (Urinzink soll bei 400 - 600 µg/l liegen). Selenzufuhr durch ausreichende Aufnahme von Schwarzbrot, Knoblauch und Zwiebeln. (Selen: EDTA-Blut bei 80 - 100 µ/l). Straßenkleidung garantiert giftfrei und gasdicht aufbewahren. Schutzkleidung regelmäßig reinigen. Kopfhaare luftdicht verpacken. Latexhandschuhe. Nach der Arbeit am Arbeitsplatz duschen und stets die Haare waschen. Essverbot am Arbeitsplatz. Wichtig ist insbesondere, dass das Putzpersonal auch in die gesamten Prophylaxe- und Monitoringsmassnahmen eingeschlossen wird. Gefahrenzulage. Kein Alkohol.

 

Arbeitsplatz: Pflicht einer gut ziehenden Klimaanlage mit Jodfilter (256), Wartungspersonal muss Schutzkleidung und Atemfilter tragen. Amalgamabscheider. Fugendichter (Stein-)Fußboden. Darunterliegende Wohnungen müssen regelmäßig auf mögliche Quecksilberkontamination überprüft werden. Es darf sich kein Lebensmittelgeschäft im Haus befinden: ehemalige Zahnarztpraxen müssen fachgerecht dekontaminiert werden, ehe sie für andere Zwecke benützt werden können.

 

Monitoring: Das gesamte operative Personal sollte stets, wenn mehr als 10 Amalgamfüllungen an einem Tag entfernt wurden, am nächsten Morgen eine Spontanurinprobe abgeben. Diese Untersuchung sollte mindestens einmal monatlich erfolgen.

 

Quelle: FORUM des Praktischen und Allgemeinarztes, Heft 9, 29. Jahrgang, September 1990