Alzheimer
Bindungsdefekt für Aluminium
Bei Patienten mit Alzheimerscher Erkrankung, Down-Syndrom,
Multiinfarkt-Demenz, bei Patienten, die wegen einer chronischen
Niereninsuffizienz dauerdialysiert wurden und bei
gesunden Kontrollpersonen wurde die plasmatische
Verteilung des Radionuklids Gallium als analoge Substanz für Aluminium, von dem
es kein biologisch nutzbares Radionuklid gibt, untersucht.
Gallium-Transferrinbindung
war bei Alzheimerscher Erkrankung mit 7,9 % und bei
Down-Syndrom mit 6,9 % signifikant niedriger als bei den Kontrollpersonen (17,1
%), aber auch bei Multiinfarkt-Demenz sowie bei Hämodialyse-Patienten,
die normale Bindungsverhältnisse aufwiesen. Die Transferrinkonzentration im Plasma lag bei Alzheimerscher
Erkrankung und Down-Syndrom nur unwesentlich unter jener der normalen
Kontrollpersonen, die Transferrineisenbindung
hingegen darüber: Morbus Alzheimer 58,9 %, Down-Syndrom 81,6 %, gesunde
Kontrollen 39 %, Multiinfarkt-Demenz 33,4 %. Es fand sich keine Korrelation zwischen
Alter und Gallium-Transferrinbindung. Serumeisen und Ferritinspiegel
waren bei Alzheimer- und Down-Patienten höher als bei
den Kontrollen, ohne daß dieser Unterschied wegen
größerer Streuung Signifikanz erreichte.
Kommentar
Aluminium bindet sich in exzessiver Weise mit Transferrin. Seine Freigabe vom Transferrin
hängt vom Vorhandensein von Transferrin-Rezeptoren an
der Zelloberfläche ab. Unter normalen Bedingungen zirkuliert nur wenig nichttransferringebundenes Aluminium im Blut, und im Hirn
finden sich nur wenige Transferrin-Rezeptoren. Ein
Defizit der Gallium-Aluminiumbindung ist andererseits gleichbedeutend mit einer
größeren Menge ungebundenen Aluminiums, das leicht in das Gehirn, wo es
neurotoxische Effekte bewirkt, gelangen kann. Bereits 1897 wurde im Hinblick
auf die Entstehung der Alzheimerschen Erkrankung das Aluminium verdächtigt, und
eine ganze Zahl von Studien haben erhöhte Aluminiumwerte in vom Morbus
Alzheimer betroffenen Hirnarealen aufdecken können. Ähnliches gilt für Down-Patienten jenseits des 30. Lebensjahres. Jede
Verschlechterung der Aluminiumbindung an Transferrin
schafft die Möglichkeit einer ausgeprägteren
Aluminiuminkorporation im Gehirn mit nachfolgenden neurotoxischen Effekten.
Wenn in der vorgelegten Studie beim Morbus Alzheimer wie auch beim Down-Syndrom
eine markant geringere Gallium-Plasmatransferrinbindung
festgestellt wurde, bedeutet dies größere Mengen von Gallium/Aluminium mit
niedrigem Molekulargewicht, die leicht die Blut-Hirn-Schranke passieren können.
Die Untersucher gehen davon aus, daß beim Morbus
Alzheimer und ebenso beim Down-Syndrom ein genetischer Defekt des Transferrins vorliegt, der eine Aluminiumakkumulation
ermöglicht. Personen ohne diesen Transferrin-Defekt
sind gegen neurotoxische Aluminiumeffekte selbst dann geschützt, wenn Aluminium
in wesentlich zu hohen Konzentrationen im Körper ist oder in ihn gelangt. Die
Natur dieses Transferrin-Defektes ist vorläufig noch
unbekannt.
Konsequenzen für die Praxis
Bis jetzt erfolgt die Diagnose eines Morbus Alzheimer,
soweit sie nicht auf einem Obduktionsergebnis basiert, per exclusionem.
Der Nachweis des Transferrin-Defektes in Form einer
verminderten Gallium/Aluminium-Transferrinbindung
könnte als diagnostischer Test der Alzheimerschen Erkrankung und als Screening für gefährdete Personen genutzt werden.
Quelle: Der Bayerische Internist (10) 1990 Nr. 3