Adolf Hitler wurde durch Drogen seiner Ärzte unmenschlich

 

„Nazis on Speed – Drogen im Dritten Reich“ ist der Titel einer zweibändigen Dokumentation, die Werner Pieper herausgebracht hat. Da es erstaunlicherweise zu diesem Thema bisher keine auch nur ansatzweise umfassende wissenschaftliche Aufarbeitung gibt, machte sich der Herausgeber vor Jahren als Jäger und Sammler auf den Weg durch die Bibliotheken und Archive – und seine Fundstücke haben es in sich. Präsentieren sie doch auf knapp 600 Seiten  einen Informations-Fundus über ein Thema, das in der historisch so gut ausgeleuchteten Epoche der Nazizeit bisher im Dunkeln blieb. Wir bringen als Vorabdruck aus Band 1 das Kapitel über Adolf Hitler und seinen „Reichsspritzenmeister“ Dr. Morell.

 

Die körperlichen Leiden des A. H.

 

Bis 1940 sah Hitler für sein Alter überraschend jung aus, bis 1943 seinem Alter entsprechend, aber ab 1943 alterte er zusehends. Nicht nur Hugh Trevor-Rober machte dafür seinen Lebensstil und seine Ärzte verantwortlich. Es scheint aber eher wahrscheinlich, dass er unter der Parkinson-Krankheit und/oder Amphetaminverfall litt – ohne dass sein Hausarzt Dr. Morell eines von beiden diagnostizierte.

 

Für den von vielen Ärzten bestätigten Parkinson-Verdacht sprechen einige seiner körperlichen Macken; nicht nur sein Alterungsprozess – es gab auch andere Hinweise. So hielt er sich jahrelang seinen zitternden Arm oder schlang sein unruhiges Bein um Tischbeine, um sich unter Kontrolle zu  haben.

 

Theodor Morell ging davon aus, dass sich Hitler 1942 eine Gehirnentzündung eingefangen habe. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass seine Krankheit eine Spätfolge des Ersten Weltkrieges war. Damals war er an der französischen Front Senfgas ausgesetzt gewesen, das ihn für zwei Wochen erblinden und verstummen ließ. Zwar gab es Mediziner, die einen hysterischen Schock als Auslöser dieser Reaktion vermuteten, aber auch andere Soldaten reagierten damals wie Hitler. Aber vielleicht waren es auch die unsterilen Spritzen Morells oder die nach 1942 minderwertigen Opiate gewesen, die zu seinem körperlichen Verfall beitrugen. Oder machten ihn die frustrierenden Ereignisse an den Fronten fertig und schlugen ihm auf Magen und Darm? Fakt ist, dass er von Dr. Morell permanent mit speziellen „Vitaminpräparaten“ vollgepumpt wurde, die in Morells eigener pharmazeutischer Produktionsfirma hergestellt wurden – zum großen Teil auch neue, noch nicht marktfähige Präparate. Das regt die Spekulationen an, an denen wir uns aber nicht beteiligen müssen, denn die erwiesenen (Drogen-)Fakten des Führers reichen aus, selbst den medizinischen Laien zu verblüffen.

 

Morell verabreichte Hitler zum Beispiel speziell für seinen Patienten Nummer Eins hergestellte, in Goldpapier verpackte quadratische Vitamultin-Täfelchen, von etwa drei Zentimeter Länge und einem halben Zentimeter Dicke. Schenck, auch „Fachberater bei der Reichsgesundheitsführung“, berichtet über dieses Präparat: „Ich zerpulverte sie persönlich in einem Mörser und ließ sie unter einem Deckwort in einem Institut der militärärztlichen Akademie auf Alkaloide und Drogen untersuchen. Ich erhielt den Bescheid, dass das Pulver Coffein und Pervitin enthielte. Die Konzentration ließ mich erschrecken. Coffein und Pervetin, das sich nur bei übermäßigem Genuss schädigend auf das Nervensystem auswirken kann, nahm Hitler, in dem von Morell produzierten Vitamultin gegeben, in erschreckendem Maße.“

 

1998 relativierte Schenck zwar seine ursprünglichen Angaben (er schrieb über sich in dritter Person), ohne seine ursprünglichen Angaben zu widerrufen: „Heute (…) kann er entgegen seinen früheren Überzeugungen nicht mehr annehmen, dass Hitler von Morell chronisch und systematisch mit Pervitin aufgeputscht wurde. Er meint vielmehr (….) dass einzelne Chargen des Vitamultins SF Pervitin auf Veranlassung Morells (….) zugesetzt wurden. Hinweise darauf (…..) gibt es. So reichte Morell am 15.10.1943 (…) ein Rezept für Bellegral und Pervitin ein sowie am 27.11.1944 ein weiteres für Eupavarein und Pervitin.“

 

Belegt ist eine Bestellung Morells vom 20. Februar 1943: „Zehn Packungen von 200 Vitamultin-Tabletten für das Hauptquartier“. Ab März 1944 verabreichte Morell zusätzlich ein spezielles, auch intramuskulär gefixtes Vitamultin-forte mit einem uns leider unbekannten Zusatz. „Vor der Injektion war er schlaff und müde, (….) anschließend wurde er sofort sehr lebhaft (…..) und blieb in der Nacht noch lange wach.“ (Park, 1986) Eine mehr als außergewöhnliche, geradezu einmalig-sensationelle Reaktion auf ein Vitaminpräparat.

 

Völklein berichtet von Eukodal und Eupaverin gegen Darmkrämpfe, von Morell-Spritzen mit dem Sexualhormon Testoviron, von Tonophosphan und Traubenzucker und den Kreislaufmitteln Cardizol und Coramin. The Iot.

 

Wie W. R. Kemper in seinem Beitrag ausführt, verursacht längerer Pervitingenuss in größeren Dosierungen bestimmte negative Reaktionen, die alle mit Hitlers körperlichen und geistigen Beschwerden deckungsgleich sind: Unruhe, Zitteranfälle, ungebremster Redefluss, Anspannung bis zur Verkrampfung, Unberechenbarkeit, Verwirrung, Angst, paranoide Halluzinationen und anderes mehr. Spätere Politiker kamen mit ihren täglichen Speed-Fixen besser klar, wie die Beispiele des englischen Premiere Anthony Eden während der Suez-Krise oder everybody’s darling John F. Kennedy beweisen (Rudgley, 1998).

 

Adolf, der Mann mit dem Koks ist da: Dr. Giesing

 

Nach dem Attentatversuch vom 20. Juli 1944 litt Hitler unter permanenten Kopfschmerzen und blutenden Gehörgängen. Auf Anraten Dr. Brandts kam nun ein weiterer Arzt ins Spiel: Dr. Giesing. Dieser Hals-, Nasen- und Ohrenspezialist befürchtete, dass die Blutungen im Ohr zu einer schweren Erkrankung in Hitlers Stirnhöhlen führen würden. Er wusste nur ein Mittel, um dagegen vorzubeugen: Pinselungen mit Kokain, um eine Abschwellung der entzündeten Schleimhäute Hitlers zu erreichen, und die Schmerzen so weit wie möglich erträglich zu machen. Die Kokain-Pinselungen empfand Hitler wie eine Erlösung. Die Schmerzen ließen nach, der Kopf wurde frei, er konnte wieder – wie er einmal zu Eva Braun sagte – klar denken. Neues Gift zu vielen anderen Giften. Auch Dr. Giesing verfing sich in dem Teufelskreis, in dem Dr. Morell seit fast neun Jahren gefangen war. Was Hitler Erleichterung verschaffte, begehrte er. (Sponsel, 1976)

 

Das 10%ige Kokain wurde nicht nur gepinselt, laut Morells Aufzeichnungen inhalierte es Hitler auch zweimal täglich. Hals-, Nasen- und Ohrenspezialisten ziehen bei der Menge und Dauer der Verabreichung heute mindestens die Augenbrauen hoch. Und in der Tat kam es bei Hitler nach mindestens drei Kokainsitzungen zu sanften Ausfällen und laut Giesing zu einer gefährlichen Überdosierung. Kein Wunder, denn er bekam die medizinische Höchstdosierung, durch seine chronisch entzündeten Nasenschleimhäute noch verstärkt. Erschwerend kam hinzu, dass Hitler zeitgleich Sympathol zu sich nahm, das das Potenzial hat, gefährlich mit Kokain zu interagieren. Abgesehen davon, dass für viele Menschen schon allein der zeitgleiche Genuss von Amphetaminen (hier: Pervitin) und Kokain eine potenziell tödliche Mischung darstellt. (Park, 1986)

 

Kein Wunder also, dass dieser Multitoxikomane Probleme bekam. Im September fing er sich eine Gelbsucht ein. Hinzu kamen Herzbeschwerden und Zahnschmerzen. Mitte September brach er vollends zusammen. Röntgenaufnahmen des Gesichtsschädels zeigten ausgebreitete Entzündungen im Kiefer und in den Nasen- und Stirnhöhlen. Am 1. Oktober 1944 kam es nach einer weiteren Kokainpinselung zu einer heftigen Reaktion. Hitlers rötlich-gelbes Gesicht verfärbte sich, es wurde aschfahl, seine Augen fielen zu. Sein Puls hatte eine Frequenz von knapp 90. Auf Fragen reagierte er nicht mehr. Dr. Giesing diagnostizierte für sich: Herz- und Kreislaufkollaps (…..) (Sponsel, 1976)

 

Ein Zitat Giesings aus dessen Vernehmungsprotokollen vom 12.6.1945: „In diesem Augenblick wollte ich, dass ein solcher Mann nicht weiter existiert. Mir war plötzlich klar, dass dieser mächtige und jetzt bewusstlose Mann ganz in meine Hand gegeben war. Ich war allein mit ihm. Und wie in einer Zwangshandlung tauchte ich einen neuen Watteträger in die Kokainflasche und bestrich die Schleimhäute abermals mit Kokain,  wohl wissend, dass bereits ein Kokainschock vorlag.“ Kokain hätte bei einem gesundheitlich so geschwächten und mit anderen Drogen vollgepumpten Menschen durchaus als eine Art zentrales Nervengift wirken können, aber Hitler erholte sich wieder recht schnell und es scheint wahrscheinlicher, dass Giesing sich mit dieser Episode vor seinen US-Verhörern wichtig machen wollte. Folgen wir also Sponsels Rat: „Vergessen wir also Dr. Giesings Selbstbeweihräucherung als Mann des Widerstandes, dessen Todeswaffe gegen Hitler angeblich Kokain gewesen sein soll.“ Aber wir sind mit Dr. Giesing noch nicht fertig.

 

Bei einer seiner Pinselungen zum Frühstück Hitlers fielen dem Koks-Doktor ihm unbekannte, kleine schwarze Kügelchen auf dessen Frühstücksteller auf, die dem Chef von seinem Leibdiener Linge serviert wurden. Linge verriet Giesing, dass Hitler an manchen Tagen bis zu 16 Stück davon einwürfe. Und er zeigte dem Doktor auch die Packung, auf der geschrieben stand: Antigas-Pillen, Dr. Kösters, Berlin. Und: „Extr. nuc. vom. 0,04; Extr. bellad. 00,04“. Für den medizinischen Laien: Nuc.Vomic = das Gift der Brechnuss = Strychnin; Bellad. = Belladonna/Atropin, das Gift der Tollkirsche. Diese Pillen waren in keiner offiziellen Medikamentenliste zu finden. Hitler nannte sie „Kohletabletten“ und Morell fand sie harmlos. Hitler hatte mit deren Einnahme schon lange begonnen, bevor Morell sein Hausarzt wurde. Wahrscheinlich waren sie ihm schon Jahre zuvor von seinem Adjutanten Wilhelm Brückner empfohlen worden. Die Giftdosierung einer einzelnen Tablette war in der Tat gering, aber 80% des Strychnins sammeln sich in der Leber an und nach jahrelangem permanenten Gebrauch kam da schon einiges zusammen, zumal Hitlers Leber nicht die gesündeste war und Strychnin nun wahrlich nicht das einzige Gift, das diese zu verarbeiten bzw. abzuspeichern hatte.

 

„Die schöne Frau“ (lat. Atropa belladonna = Tollkirsche) wurde schon seit Jahrhunderten von Frauen in südlichen Ländern genutzt, um ihren Augen Größe und einen aufgeschlossenen, unschuldig-kindlich-erstaunten Ausdruck zu verleihen (….) Es finden sich keine Belege dafür, dass jemand Hitler als „gut aussehend“ beschrieben hätte – aber seine Augen wurden wiederholt als eindrucksvoll geschildert. Er ahnte gewiss nicht, dass die Pillen, die er neun Jahre lang gegen störende Winde eingenommen hatte, seinen Augen eine menschenbezaubernde Wirkung verleihen würde.“ (H. Fikentscher, 1974)

 

Dr. Giesing informierte umgehend Dr. Brandt und Dr. Hasselbach, da er davon ausging, dass Hitlers schlechter Gesundheitszustand auf diese Pillen zurückzuführen sei, und er sagte dies auch dem „Führer“. Dieser jedoch vertraute seinem Dr. Morell, und für deren drei kritische Kollegen hieß es nun Abschied nehmen aus dem Hauptquartier. Dr. Morell war spätestens ab jetzt eindeutig Hitlers Vertrauensarzt. Sein Chef ließ Dr. Karl Brandt am 16.4.1945 von der Gestapo verhaften und am Tag drauf zum Tode verurteilen. Die Regierung Dönitz setzt ihn zwar wieder frei, doch im Nürnberger Ärzteprozess als Verantwortlicher der Menschenversuche erneut zum Tode verurteilt, wurde er schließlich im Juni 1948 gehängt.

 

This is the end….

 

Der Vollständigkeit halber sollte noch erwähnt werden, dass in dieser pharmakologischen Auflistung weitere Substanzen fehlen: der Schmerzkiller Eukodal, ein synthetisches Morphiumderivat, Ultraseptyl sowie ein weiteres Dutzend anderer Medikamente: Mutaflor, Homoseran, Hormone und Organpräparate, Jod-Präparate, Sulfonamide, Neo-Ballisfol u.a.m.

 

Eukodal, heute unter dem Namen Percodan im Handel, ist ein gefährlich suchtbildendes, oral genommenes Präparat, das Dr. Morell dem Führer in doppelter Dosierung in die Venen pumpte. Percodan ist fast so potent wie Morphin und zehn- bis zwölfmal stärker als Codein. Nachweisbar sind auf Grund von Morells Aufzeichnungen zwar nur 16 Verabreichungen – aber später hieß es immer nur lapidar „Injektionen wie immer“. Und auch dieses Mittel reichert sich im Körper an. (Park, 1986)

 

War Hitler wirklich drogensüchtig?

 

Wahrscheinlich – aber das lässt sich nicht mit letzter Sicherheit belegen und ist schließlich auch eine Definitionsfrage. Fakt ist, dass er ab 1942 immer wieder Symptome aufwies, die denen eines Drogensüchtigen auf Entzug gleichen. „Der im FHQ oft gehörte Ruf „Wo bleibt denn wieder der Morell mit seiner Spritze?“ musste auch einem aufmerksamen Laien auffallen. Prof. Dr. med. Karl Brandt betonte in eidlichen Aussagen vor den Vernehmern, dass Morell Hitler süchtig gemacht habe, und die US-amerikanischen ärztlichen Interroganten kamen auf Grund ihrer vielen Erhebungen zu dem nämlichen Schluss“. (H. Fikentscher, 1974). Es gibt Untersuchungen, die davon ausgehen, dass er zumindest pervitinabhängig war. Eines ist jedoch sicher: sein Drogenkonsum war jedenfalls überdurchschnittlich. Und eine Abhängigkeit wurde von vielen Zeitzeugen bestätigt: die von seinem Arzt Theo Morell. So erklärte Albert Speer vor dem Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozess: „Morell gelang es, Hitlers Erschöpfungen mit Hilfe künstlicher Stimulantien zu verhehlen, eine Methode, die bekanntlich mit dem vollständigen Ruin des Patienten enden muss. Aber Hitler hat sich an diese Mittel gewöhnt, die es ihm ermöglichten durchzuhalten, er hat dauernd nach ihnen verlangt, er hat Morell und seine Methoden bewundert und war von ihm und seinen Heilmitteln abhängig.“ Oder, in Hitlers Worten: „Mein lieber Doktor, ich bin froh und glücklich, dass ich sie habe.“ Das würde auch jeder Junkie zu seinem Dealer sagen, der ihn so loyal regelmäßig mit Stoff versorgen könnte. Und genau wie ein Junkie auf Entzug ohne Nachschuboption bewegte er sich im Notfall im Reich der grenzenlosen Paranoia. Feigheit, Heimtücke und Verrat sah der „Führer“ überall, nur keine Verantwortung bei sich. Er klagte, schluchzte, jammerte und zitterte am ganzen Körper (…..), sein körperlicher und psychischer Verfall beschleunigte sich. Die mit dem Führer im Bunker eingeschlossene Hanna Reitsch beschrieb die Begegnung mit ihrem Chef am 26. April 1945: „Im Führerbunker trafen wir in dem kleinen, dielenartigen Gang Adolf Hitler. Seine Gestalt war jetzt stark vornübergebeugt, beide Arme zitterten ununterbrochen und sein Blick hatte etwas gläsernes Fernes (……)